Anomalien in der Amboss Rampe

Der Schmerz in ihren Songs spiegelt sich in Adnas Mimik. Bild: Janosch Tröhler

Die vielversprechenden Newcomer Adna und Owen Rabbit spielten vergangenen Mittwoch in Zürich. Eine andächtigere Stille hat die Limmatstadt kaum je gehört.

Eisige Kälte strömt durch Zürich. Neben den unzähligen Geleisen des Hauptbahnhofs, in der Amboss Rampe, spielen an jenem Mittwoch zwei Anomalien der Musik: Adna, die in Berlin lebende Schwedin mit bosnischen Wurzeln, und Owen Rabbit, ein Multiinstrumentalist aus dem australischen Melbourne.

Wieso Anomalien? Weil diese blutjungen Musikschaffenden bereits in ihrem zarten Alter erwachsener klingen als die meisten ihrer Kollegen. Rabbit und Adna haben ihren Sound gefunden und spielen mit beeindruckender Überzeugung.

Übersinnliche Erscheinung

Adna eröffnet den Abend und verwandelt ihn sogleich zur Nacht: Night vom gleichnamigen Debütalbum bezaubert die Anwesenden vom ersten Moment an. Die zierliche Frau wird auf der Bühne zur übersinnlichen Erscheinung. Das zerbrechliche Prozellangesicht verzerrt – ein Spiegel des Schmerzes, der Angst in ihren Songs. Ihre Stimme, im Gespräch unschuldig wie die eines Engels, wird im Gesang von Dunkelheit erobert.

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Neben den Song von ihren Alben Night und Run, Lucifer spielt Adna auch Stücke des im März erscheinenden Closure. Das Konzept bleibt bestehen: Die Songs sind in sanfte Musik gegossene Traumwelten. Melancholie, die sich in den hallenden Klängen manifestiert.

Man ist versucht zu sagen, Adnas Musik ist zu traurig für die breite Masse. Und doch haben 2.9 Millionen Spotify-Nutzer ihr gelauscht. Vor dem Konzert verrät die Musikerin mir, dass sie es gar nicht glauben konnte, als diese Statistik sie erreicht habe. Sie habe sofort ihr Label kontaktiert und gefragt, ob das stimmen kann. Das Label Despotz Records bestätigte dann: Ja, es stimmt.

Ruhige Songs geben bei Adna dem Pathos die Hand: Die Wucht in Stücken wie The Prettiest donnert übermächtig durch den Raum. Bei Shiver wird es in der Amboss Rampe kälter als in den Strassen der Stadt. Nur die Piano-Melodie flackert hell und warm wie die Kerzen auf dem Tisch.

Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler

Gerade mal 50 Besucherinnen und Besucher haben den Weg zum Konzert gefunden. Dafür ist es ein aussergewöhnliches Publikum: Wenn Adna ihre Stimme erhebt, kehrt andächtige Stille ein. Kein Laut stört die Musik.

Adna berührt die Herzen der Menschen. Am Ende ihres Sets kann man kaum glauben, dass dieses kleine Publikum so ausgiebig jubelt und applaudiert.

Mutige Soundkonstrukte

Dann ist der Australier Owen Rabbit an der Reihe. Es war die falsche Running Order, denn nach Adna verblieben vielleicht noch die Hälfte der ursprünglichen Zuschauer.

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Owen Rabbit konnte mich im Vorfeld nicht überzeugen. Denn seine Musik zuhause zu hören ist so sinnvoll, wie in der Amboss Rampe ein Heineken zu bestellen. Doch live erhalten seine mutigen Soundkonstrukte eine neue Qualität. Der Loop-Künstler demonstriert den Entstehungsprozess auf der Bühne. Performance-Art trifft auf Klangkunst. Rabbit klatscht, schnipst und pocht, er schlägt Akkorde an und verwebt die Elemente durch Loops zu einem facettenreichen Stoff. Jeder Klang, jeder Beat entsteht direkt und live.

Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler
Bild: Janosch Tröhler

Mit eigenen Augen und Ohren mitzuerleben, wie Owen Rabbit aus seinen Bauklötzen fantastische Kathedralen baut, ist eine Offenbarung. Laute und rhythmische Passagen branden an den Stränden sphärischer Inseln. Mal ist seine Musik aufbegehrend wie die Jungend im Nachtleben, dann wieder düster und dröhnend wie die Prophezeiung vom Ende aller Zeiten.

Rabbit scheut auch nicht vor dem Unbehagen, das Halbtöne heraufbeschwören können. Und er setzt zu unerwarteten Höhen im Gesang an, die man ihm niemals zugeschrieben hätte.

Das Ende seines Sets fällt abrupt aus. Vereinzelter Applaus, dann eine peinlich lange Stille. Ein unwürdiger Abschluss ohne Zugabe nach Rabbits erstem Konzert in der Limmatstadt.