Brachiale Brillanz

Bilder: Nicola Tröhler

Eine unheilige und laute Nacht versprachen Zeal & Ardor zum Tourabschluss im Winterthurer Salzhaus. Wer braucht schon das Christkind, wenn diese Wünsche schon vor Heiligabend in Erfüllung gehen?

In Winterthur schloss sich am 23. Dezember 2017 ein Kreis. Das erfolgreiche Projekt Zeal & Ardor des Musikers Manuel Gagneux beendete seine Welttournee. Und das Salzhaus feierte den Abschluss – das muss an dieser Stelle mal gesagt werden – einer grossartigen Konzertsaison.

Fast schon symbolisch, dass Zeal & Ardor am Vorabend von Heiligabend ihr letztes Konzert der Tour absolvierten. Das infernale Live-Debüt gaben sie am Karfreitag in der Kaserne Basel im Rahmen des «Czar Fests». Es lassen sich jedoch mehr als religiöse Parallelen ziehen.

Pink Floyd auf Altmetall

Eine Gemeinsamkeit heisst Frederyk Rotter. Er ist der Tausendsassa der Basler Metalszene, hatte Zeal & Ardor für sein «Czar Fest» gebucht, als noch kein Hahn nach ihren gekräht hat. Im Salzhaus stand Rotter allerdings nicht hinter den Kulissen, sondern mit seiner langjährigen Band Zatokrev im Rampenlicht.

Zatokrev spielen keinen Metal für einfache Gemüter. Ihre Songs erstrecken sich über epochale Längen, die Arrangements sind komplexe Extravaganzen. Der gut einstündige Auftritt entfaltete eine Dystopie zwischen Horrortrip und rituellem Ziegenschlachten. Als Post-Metal oder Sludge wird dieser schleppende Malstrom bezeichnet. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sei mit diesem Vergleich belassen: Zatokrev klingen, als hätten Pink Floyd einen Container Altmetall gefressen.

Ein gewaltiges Donnergrollen, malträtierte Gitarren und Melodien, die wie Hasen Haken schlugen – damit war der gut gefüllte Saal ausreichend aufgerieben für den Höhepunkt.

Befreit und routiniert

Was hat sich getan seit dem allerersten Konzert in Basel? Diese Frage stand – zumindest für uns – wie ein Monolith im Raum. Noch Anfang Jahr hatten Gagneux und seine Komparsen mit ihrer Session beim Radio Couleur3 Sorgenfalten provoziert. Mit einer berauschenden Performance an ihrem ersten Konzert verschwanden diese sofort. Die Fusion aus Sklaven-Spirituals und Black Metal funktioniert hervorragend auf der Bühne.

Verändert hat sich insofern wenig seit diesem infernalen Urknall vor einigen Monaten. Leichte Anpassungen an der Setlist. Vor allem aber spielte die Band befreiter, entspannter, routinierter. Und wenn man dem Konzert im Salzhaus etwas ankreiden möchte, ist es die etwas zu unscheinbar abgemischte Lead-Gitarre. Ansonsten lieferten Zeal & Ardor, was erwartet wurde: Puren, teuflischen Klang.

«Servants! Join us!»

Das Salzhaus in Dunkelheit gehüllt, wummerten die Dubstep-artigen Beats von Sacrilegium I durch das Gebälk. Der Raum begann sich anzufühlen wie ein Dampfkochtopf – ein Gefühl, das sich über das ganze Konzert hinweg hielt. Zeal & Ardor betäubten das Publikum mit einem unfassbaren Druck. Die Bässe vibrierten durch Haut und Knochen. Die Breakdowns rissen Löcher in die Atmosphäre. Die brachiale Brillanz der Band wurde nur noch von ihrer Präsenz übertroffen. Diese Musik verlangt nach Aufmerksamkeit.

 

Die Kombination von Gospel-Sounds und Black Metal hat nichts an seiner Faszination eingebüsst. Die erdigen Choräle verwandeln jeden Saal in eine Kultstätte, während die schiere Gewalt des Black Metals einen mit tausend Peitschenhieben vorwärts treibt. Die richtigen Worte für diese unmögliche, aber unfassbar energetische Klangfusion zu finden, ist eine Herkules-Aufgabe. Gerade weil Songs wie Row Row oder Servants noch nicht offiziell veröffentlicht wurden, aber live wie ein massiver Prügel auf die Zuschauer niederprasseln.

Okkulte Feier 

Es war nicht zu viel versprochen: Zeal & Ardor sorgten für eine ohrenbetäubende, unheilige Nacht. Das Publikum zelebrierte die okkult-düstere Feier mit Zeremonien-Meister Manuel Gagneux – ekstatisch, ausschweifend und headbangend.

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Bild: Nicola Tröhler

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Dabei waren nicht nur die klassischen Metalheads zugegen. Das Publikum war ein buntes Potpourri aus Szene-Archetypen, Musikfreaks und Neugierigen. Zweifellos waren auch einige darunter, die Zeal & Ardor an den Musikfestwochen entdeckt haben.

Die Band krachte mit viel Selbstbewusstsein durch die leider viel zu kurze Setlist. Die Show war vom Bühnenaufbau bis zum epischen Lichteinsatz nahezu perfekt. Und natürlich boten die hymnischen Höllenfeuer wie Blood In The River oder Come On Down ein Feuerwerk.

Aber der interessanteste Song war vielleicht Hold Your Head Low, ein ebenfalls noch nicht publiziertes Stück. Vor allem aber eines, das sich nicht mehr bei Spirituals oder Gospel anlehnt, sondern beim Blues. Macht sich Manuel Gagneux nun auch noch den «Blues Metal» zu Eigen? Das bleibt abzuwarten.

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Hier findest du unsere Kritik zum Album Devil Is Fine.

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Die Konzerte von Zeal & Ardor lieferten aber den endgültigen Beweis, dass der beispiellose Hype um das Projekt und das Debütalbum Devil Is Fine – eines der aufregendsten Werke des Jahres – mehr als gerechtfertigt ist.

Gagneux brachte damit nicht nur Bewegung in die leicht verkrustete Metal-Landschaft, sondern vereinte vermeintlich Unvereinbares. Die erfolgreiche Synthese fühlt sich organisch und archaisch an. Eine Symbiose, die nicht sich nicht erzwungen, dafür wie das Natürlichste der Welt anhört.

Für 2018 hoffen wir wenigstens, dass wir in den Genuss neuen Studio-Materials von Zeal & Ardor kommen. Bis dahin drehen das Album Devil Is Fine weiter in der «heavy rotation» und die Gedanken um die Erinnerung an ein packendes Konzert im Salzhaus.