Am Samstag vor einer Woche lief das Mini-Festival Hummus Fest im Fri-Son von der Bühne. Sieben Auftritte, zwei Plattentaufen und ein umfangreiches Rahmenprogramm liessen Hörlustige der alternativen Musik nach Freiburg pilgern. Ein junges und aufregendes Label präsentiert seine Perlen.
Hummus Records stellt sich vor. Mit den Auftritten sechs seiner Bands und der Coilguns-Supportband Yautja stellt das Label erneut ein Hausfest auf die Beine. Diesmal nicht im Heimatort La Chaux-de-Fonds, sondern in den Pforten des Fri-Sons in Freiburg. Der Eintritt für den Abend war gratis: «Ein jeder sollte die Möglichkeit haben, unsere Konzerte schauen zu können und bezahlen, was man möchte. Auch eine Familie mit vier Kindern sollte so einen Abend vermögen können,» sagt Hummus-Gründer und Coilguns-Gitarrist Jona Nido dazu.
Aber auch abseits der Konzerte konnte man es sich gut gehen lassen: Serigraphie-Workshops, ein Merch-Stand verschieden befreundeter Plattenlabels, Videoinstallationen oder libanesische Mezze mit Hummus. Doch nun zur Musik. Hummus Records steht für alternativen Lärm, grenzfreudige und experimentierfreudige Musikerinnen und Musiker, einfahrender Krach und berührende wie mitreissende Balladen. Über 1000 Besucherinnen und Besucher folgten dem Ruf der alternativen Musik und liessen sich den Abend nicht entgehen. Wir ebenfalls nicht.
Akustischer Post Rock und verzerrtes Groovegewitter
Die Freiburger Post-Rock-Band Darius lädt bereits früh ein, sich in ihrer melancholischer Soundlandschaft verlieren zu lassen. Im grossen Saal des Fri-Sons spielen die fünf Herren je auf einem Podest im Raum verteilt und spielen ihre sonst metallisch verzerrten Klänge auf akustischen Gitarren und Bass.
Um den vollen Klangumfang zu erhalten steht man in der Mitte und lässt sich von allen Seiten beschallen. Die Idee stammt von Louis Jucker, welcher auch in der Theaterbranche tätig ist. Aus beissenden Riffs werden bewegende Gitarrenballaden. Post-Rock im Akustik-Style, ein gewagtes Konzept hervorragend umgesetzt.
Von der idyllisch düsteren Atmosphäre wurde man kurz darauf mit einem verzerrten Groovegewitter des US-Trios Yautja geweckt. Die Band aus Nashville, welche momentan als Support von Coilguns durch Europa touren, gehören als einzige Gruppe des Abends nicht zum Schweizer Label. Ihr preschender Grindcore als dissonanter Lärmgarant für erste Mähnenschwinger.
Der Barde für Abstruse und eine schwerlastige Vernissage
Weiter im Programm geht es mit dem vielversprechenden Tausendsassa und Hummus-Gründungsmitglied Louis Jucker. Man darf behaupten, dass alle seine künstlerischen Projekte zu Gold werden. Ein musikalischer Dauerarbeiter mit dem Hang zum Abgedrehten, leidenschaftlich und rau.
Mit selbst gebauter Gitarre sitzt er barfuss auf einem kleinen Podest im Publikum, das halbe Fri-Son hockt und lauscht um ihn. Derselbe, der sich mit Coilguns in zwei Stunden die Seele aus dem Leib schreien wird, bannt das ganze Publikum an seine klimpernde Gitarre und lässt mit einhauchender Stimme träumen wie verängstigen, dies manchmal sogar beides gleichzeitig. LoFi-Folk mal anders.
Rorcal liefert kurz darauf mit ihrer Vernissage des neuen Albums Muladona bleischwere Gitarrenarbeit im Artilleriefeuer. Die Band aus Genf, welche in ihren Anfangszeiten mit bissigem Doom unterwegs waren, liessen sich nun über die Jahre zum Black Metal bekehren. Die Gruppe, welche von einer Extreme ins andere wanderte, zeigt mit Ach und Krach eine weitere extreme und düstere Facette des Labels auf.
Emilie Zoé
Seit ihrem Release The Very Start ist die Westschweizer Sängerin mit dem Schlagzeuger Nicolas Pittet beinahe ununterbrochen schweiz- und europaweit unterwegs. Kein Wunder, denn mit ihrem zweiten Album präsentiert Emilie Zoé eine tiefgründige Klangvielfalt in musikalischen Grautönen. Die Neuenburgerin schafft es, mit düsterer Gitarre sowie einfahrender Stimme und begleitet von einfacher packender Perkussion fesselnde Songs zu performen, welche tief unter die Haut gehen.
Das Fri-Son ist mittlerweile gefüllt und das Publikum hängt bei jedem Wort an Emilie Zoés Lippen. Grüne beleuchtete Nebelschwaden hängen in der Luft und der Saal wird mit bittersüssen Lo-Fi-Klängen geflutet, ein Orchester an Nostalgie. Ein Tritt auf das Verzerrungspedal und das Duo zeigt gibt sich in punkiger Manier, kantigen Riffs und verzerrter Melancholie. Ob einhauchender Indie-Folk oder schreiende Gitarre, Emilie Zoés Musik ist bewegend und eine Klasse für sich. Auch nach dem Konzert sitzt der Auftritt noch tief, wie ein bittersüss trister Nachgeschmack im Trommelfell.
Watchwinders
Nun das Highlight des Abends, die Vernissage der neuen Scheibe Watchwinders von Coilguns. «Das letzte Mal standen wir 2013 als Support von Mastodon auf der Bühne des Fri-Sons. Heute spielen wir erneut hier und es ist unsere grösste Headliner-Show bis dato. Einfach magisch», meint Jona Nido. Das Fri-Son ist mittlerweile rappelvoll und das Quartett betritt unter tosendem Applaus die Bühne.
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Watchwinders ist Chaos auf Band. Live besteht hierbei kein Unterschied. Groovige Kriegstrommeln setzten mit einem wummernden Synthie ein lärmendes Klangfundament, darüber lässt die Gitarre mit bissigen Riffs hochprozentigen Groll aus den Amps strömen. Die entfesselte Wut wird unheimlich tight herüber gebracht: Jeder Schlag sitzt und jeder Ton beisst sich gnadenlos in die Ohren.
Wie ein gehetzter Hund heizt Louis Jucker das Publikum auf, surft auf der Menge und wagt sich in den Pogo. Derweil taktiert das Trio an den Instrumenten in rauer und forscher Einheit die Nacken des Publikums und zeigt eine spannende Mischung aus Hardcore und Noise Rock. Eine Stunde lang beschallt die Band das Fri-Son mit allem, was Amps und Verzerrungspedale hergeben.
«Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal so weit kommen»
Vor dem Konzert erzählte uns Coilguns-Gitarrist und Hummus Records-Gründer Jona Nido, wie das Label entstand.
Wie und wann startete damals das Label?
Hummus Records und Coilguns sind stark miteinander verknüpft. Als wir 2011 Coilguns gründeten, wollte niemand mit uns arbeiten, da uns als junge Band noch niemand kannte. Also gründete ich zusammen mit Louis unser eigenes Label, um unsere Scheiben selber rausbringen zu können.
Wie findet man sich zurecht als junges Label?
Anfangs hatten wir noch keinerlei Erfahrung im Musikbusiness. Als wir nach unserer ersten Scheibe mit The Ocean durch Europa touren konnten, änderte sich dies. Wir bekamen ein Blick hinter die Kulissen und erlernten das nötige Know-how um den Laden schmeissen zu können. Nach den Konzerten in der Schweiz kamen jeweils Bands und Freunde nach den Auftritten zu uns und erzählten uns, sie hätten ein Album in den Startlöchern, jedoch kein Label. Wir hatten nun die nötige Erfahrung und die Mittel, ihre Scheiben unter Hummus Records zu veröffentlichen.
Wie verläuft es heute mit Hummus Records? Sind es immer noch die Bands, welche auf euch zukommen, oder ist es umgekehrt?
Wir waren froh, dass am Anfang unsere Freunde mit grossartiger Musik Teil des Labels sein konnten. Für uns bedeutete dies daraufhin natürlich viel Arbeit und wir mussten ein wenig runterschrauben. Wir arbeiten noch heute mit denjenigen Bands weiter, welche uns ihr Vertrauen geschenkt haben und an ihren Kreationen weiterarbeiten. Neue Bands im Label sind heute eher rar. Wir sind mittlerweile sehr gewachsen und ich erlaube mir, auf Bands und Musikerinnen und Musikern zuzugehen, mit welchen ich arbeiten will.
Wo siehst du die Zukunft des Labels?
Zu Beginn habe ich unsere Platten in einem kleinen Schrank im Haus meiner Eltern eingeräumt. Heute haben wir in neben unserem Bandraum 50m² Platz für als Lagerraum für unser Label. Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal so weit kommen. Allerdings weiss ich allerdings nicht, ob das Label grösser wurde oder einfach die Bands. Ich glaube, dass die Zukunft des Labels stark von Coilguns und Emilie Zoé abhängt. Wir versuchen allerdings nichts zu pushen, alles passiert dann, wenn es passieren soll. Ich würde mich jedenfalls auf den Tag freuen, an welchem ich Freunde anstellen könnte, welche für uns arbeiten könnten.
Ein psychedelischer Abschluss
Ein schweissgebadetes Publikum liess sich zu guter Letzt vom antreibenden Retro Psychedelic Rock der Bieler Band Edmond Jefferson & Sons in die 70er-Jahre zurück katapultieren. Unter teuflisch bluesigen Licks und betörendem Gesang entfaltet sich eine groovige Rock’n’Roll-Maschinerie, welche ohne Halt in die Nacht hineinbrettert, bis man an einem psychedelischem Hitzeschlag erleidet.
Eine Mini-Festival der Extraklasse
Ein imposanter Abend mit abwechslungsreichem Programm, welches in allen Facetten faszinieren und staunen liess. Noch imposanter, was ein kleines Label mit der Hilfe von Freundinnen und Freunden auf die Beine stellen kann. Bei Hummus Records steht die Musik und Freundschaft im Vordergrund, die Liebe zur Darbietung und Kreation, nicht der Kommerz oder das Schreiben von schwarzen Zahlen. Ein rappelvolles Fri-Son kam in den Genuss entfesselter und ungebändigter Musik, orchestralem Lo-Fi in musikalischen Grautönen, einfahrend psychedelischen Klängen und der familiäre Atmosphäre unter rund tausend Personen. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt.
Bis heute haben mehr als 30 Bands ihre Platten unter Hummus Records veröffentlicht, darunter nebst Coilguns auch Emilie Zoé, Dirty Sound Magnet, Louis Jucker, Ølten, HEX, Killbody Tuning uvm. Bis heute wird das Label von Jona Nido, Louis Jucker und mittlerweile mit der Hilfe eines Freundes unterhalten. Hummus Records vereint die verrückten, neuerfindenden und grenzdurchbrechenden Musikerinnen und Musiker der Westschweiz.
Das nächste Hummus Fest findet am 28. März 2020 im Case à Chocs in Neuenburg statt.
Wer eine Band entdecken will, kann sich auf dem Online-Shop von Hummus Records austoben, jegliche digitale Musik wird zum freien Preis angeboten.
Die Konzertbilder wurden uns freundlicherweise vom Fotografen Jean-Marc Guélat zur Verfügung gestellt. Besucht seine Website für weitere spannende Aufnahmen.