Dein Abend war gut, trotz biergetränktem Schuh!

Der 14. Februar war Gerüchten zufolge der Tag der Verliebten. Am Abend des «speziellen» Tages mussten einfach mehrere «tausend» zuhörende Personen sich in eine Band verlieben.

Molly Rankin von Alvvays (Foto: Marie Gfeller)
Molly Rankin von Alvvays (Foto: Marie Gfeller)

Du stehst also vor dem Viadukt. Auf deiner linken Seite siehst du, dass er sich ziemlich in die Länge zieht. Auf deiner rechten Seite ist er fast schon fertig. Einen Bogen, dann einen Zauen. Hinter dem Zaun liegen Gleise in der dunklen Nacht. Ein wenig hinter dir überquert die Hardbrücke die Gleise.

Du hebst deinen Kopf ein wenig in die Höhe und liest: Bogen F. Du weißt jetzt, dass du deine Destination erreicht hast. Auf dem Ticket, das du in deiner Hand hältst, steht Alvvays (CAN) und Moon King (CAN). Dein Herz beginnt ein wenig zu pochen, bereits seit vorgestern freust du dich auf das Konzert.

Du betrittst das Kulturlokal. Der Türsteher ist freundlich. In dem Moment fällt dir wieder ein, dass die Vorband Moon King spielen wird. Es ärgert dich; eigentlich bist du nur wegen des Konzerts von Alvvays gekommen. Und auch dabei warst du dir unsicher – Du warst dir unsicher, ob Alvvays nur aus der Konserve gut klingen oder ob sie auch eine gute Live-Band sind.

Während du auf die Vorband, die du eigentlich nicht sehen möchtest, wartest, bestellst du dir ein Bier und blickst dich um. Der Bogen F gefällt dir. Das runde Dach des Gewölbes kreiert eine wohlige Stimmung, das Personal ist nett und irgendwo hast du einen Hinweis-Zettel gesehen. Man solle doch bitte das Handy in der Tasche lassen und das Konzert im Jetzt geniessen. Das gefällt dir ausserordentlich gut.

«Das ist wohl die beste Vorband ever»

Doch genug geträumt, jetzt beginnt das Konzert von Moon King. Vier Gestalten betreten die Bühne. Das Mädchen an der Gitarre fällt dir auf, sie hat rötliches, wildes Haar und ist enthusiastisch, sie strömt nur so von Energie. Der Sänger hat eine Aura um sich. Die Band beginnt zu spielen. Der Bassist blickt grimmig ins Publikum. Was du zu dem Zeitpunkt nicht weisst, ist, dass der Bassist nach dem Konzert, etwa 30 Minuten später, etwas freundlicher ins Publikum blicken wird.

Das Publikum steht da. Du siehst einige «Nicker» und ein par wenige «Wipper», aber mehrheitlich einfach stehende Menschen. Geküsst wird auch wenig, obwohl Valentinstag ist. Das ist dir recht. Aber dass das Publikum nur so da steht, verstehst du nicht. Moon King spielen gut, sehr gut. Du hörst jemanden sagen: «Das ist wohl die beste Vorband ever.»

Moon King spielen ihre Mischung aus Lo-Fi, Shoegaze und Indie-Pop sehr gut. Mit Energie und Spass, vielleicht weil es das letzte Konzert der Tour ist, geben sie nochmals alles. Die Band ist noch jung, aber für ihr Alter unglaublich professionell. Für einen kurzen Moment bereust du, dein früheres Bandprojekt aufgegeben zu haben. Moon King haben den weiten Weg von Kanada in die Schweiz geschafft. Bevor du aber ganz in existenzielle Fragen abdriftest, sammelst du dich und schaust dem Sänger zu.

Der singt, wie es seine Aufgabe ist, und tanzt und tanzt und tanzt. Sein Tanzen wirkt auf dich nicht aufgesetzt oder unangenehm, es wirkt authentisch. Als müsste es so sein. Zusammen mit der Umgebung des Lokals nimmt dich die Musik mit. Die Band kündet das letzte Konzert an, traurige Rufe sind zu hören. Es ist plötzlich still, irgendwo im Viadukt-Gewölbe zerbricht ein Glas. Es ist passend, deiner Meinung nach dürfte das Konzert gerne etwas länger gehen, so sympathisch ist die Band, so spassig das Konzert.

Nach dem ersten Konzert gehst du dir wieder zur Bar. Moon King, das Duo aus Sängerin/Gitarristin und dem Sänger, harmonierte hervorragend. Schade, ist der Name Moon Duo bereits vergeben…

«Rote Lippen soll man küssen, den zum Küssen sind sie da»

Nachdem du den Bar-Andrang überwunden hast und endlich dein Glas mit der gelben Flüssigkeit hast, betritt schon den Grund deines Kommens die Bühne. Alvvays stehen da. Die Bandmitglieder tragen die Kleidung aus dem Videoclip des Liedes Archie, Marry Me. Gestreife T-Shirts, die Sängerin Molly hat rote Lippen.

Aus irgendeinem Grund ploppt in deinem Kopf die Liedzeile «Rote Lippen soll man küssen, den zum Küssen sind sie da» auf. Vielleicht wegen dem Valentinstag? Die Band beginnt zu spielen und die Musik nimmt dich sofort mit. Die Gruppe spielt zusammen, alles sitzt.

Du merkst, dass die Band die Lieder bereits hundertmal gespielt haben, alles klingt so, wie es muss. In der vordersten Reihe filmt ein Typ das Konzert. Er steht direkt vor der Sängerin, hält ihr das Natel vor die Nase. Du glaubst ihren verärgerten Blick zu erkennen, bist dir aber nicht ganz sicher. Zu hören gibt es die grossen Hits der Band wie Mary Me, Archie oder Next of Kin. Aber auch zwei, drei Covers haben sich eingeschlichen, darunter eines von Deerhoof.

Die Band haut dich um. Weniger durch Show-Elemente, da war Moon King mit dem Sänger im Gewinn. Aber das Gesamtpacket stimmt. Du bist glücklich. Du wippst mit. Es gefällt dir. Dass du die Hälfte deines Biers gerade über deine Schuhe geleert hast, ist dir in dem Moment egal.

Die Band beendet das Konzert, spielt dann doch noch zwei Zugaben. Nach dem Konzert begibst du dich zum Merch-Stand. Dort steht Molly und signiert Plakate. Neben ihr lehnt der Sänger von Moon King an der Wand. Seine Ware ist zu unrecht weniger gefragt. Du verlässt den Bogen F und hoffst, dass die beiden Bands wieder einmal deinen Weg kreuzen. Denn du hast dich in beide verliebt, so gut war der Abend. Trotz deines biergetränkten Schuhs.