Es hüpfe der Punk

Luftsprünge im Hallenstadion – Campino in Aktion (Sacha Saxer)
Luftsprünge im Hallenstadion – Campino in Aktion (Sacha Saxer)

Wenn zwei Meister des Punks das Hallenstadion rocken, möchten nur wenige einen Sitzplatz haben. So war es auch am Mittwochabend als die Broilers und die Toten Hosen die Schweizer aus der Reserve lockten. Die eine Band hat’s versucht, die anderen hat’s geschafft. Sitzen bleiben konnte bis zum Schluss keiner. Doch wenn man schon einen der ausverkauften Stehplätze ergattern konnte, hätte man dies auch für dauerhaften Pogo und Mitmachen nutzen sollen!

Das wird ein harter Weg! schmettern sie nach ihrem Intro, und wenn man sich das Publikum von oben betrachten durfte, wusste man, die Broilers konnten das Schweizer Publikum noch nicht wachrütteln. No Motion, no Emotion war die Devise. Die Stehplätze nahmen ihre Sache ernst und blieben wortwörtlich an Ort und Stelle verankert – abgesehen von circa zehn wilden Pogo-Punkern und den ersten paar Reihen.

Den Broilers war es dennoch wohl auf ihrer Bühne. Frontmann Sammy Amara lobte das Publikum sogar für den warmen tollen Empfang. Und er mag es, wie man hier spreche, es habe mehr Charisma. Er versuchte die Zuschauer anzuschweizern mit einem sehr unhelvetischen, aber korrekt deutschen Grüzi und Merci.

Die Do-it-your-self Punkband aus Düsseldorf, wie Amara eine Selbstdeklaration abgab, brachte auf jeden Fall fetzige Musik mit. Neben den Elementen aus Oi und Punk haben die Broilers auch Einflüsse aus Rockabilly, Ska und Reggae. Sammy fungiert als Mann für alles. Er komponiert die Songs, schreibt Texte, kümmert sich um grafisches und ist das Gesangs- und Sprachrohr der Band. Eben echte Hand- beziehungsweise Mundarbeit. Und genau darum passten die Broilers wunderbar als Vorband zu den Toten Hosen. Den einen oder die andere konnten sie zum Schluss von sich überzeugen, denn als Amara fragte, wer denn nicht das letzte Mal auf einem Broilers Konzert gewesen sei, schallte ihm ein lautes Gejohle entgegen. Langsam wurde es  Zeit wach zu werden, denn das Zeitprogramm verlief an diesem Abend oberpünktlich.

Auf die Plätze! Fertig? Los!

Das Verstreichen der wirklich kurzen Wartezeit wurde grafisch dargestellt, indem das Reichsadlerskelett, welches an die Leinwand projiziert wurde, langsam nach unten verlief. Als die Hosen die Bühne stürmten, verwandelte sich das volle Hallenstadion in einen Hexenkessel. Die Leute tobten als Campino und seine Crew von rechts nach links sich vor ihnen verneigten und sogleich mit einem musikalischen Feuerwerk mit Balast der Republik loslegten. Einige Fans sorgten ebenfalls von Beginn weg für feurige Stimmung und brachten die für ein Hosen Konzert obligaten Pyros mit. Und so tanzten die Vollblutpunker beim Auswärtspiel wie an einem Hexentanz ums Feuer. Das Mini-Pogo-Feld von den Broilers verwandelte sich in einen grossen Pogo-Strudel.

Campino musste das Publikum aber dennoch anstacheln. Denn vor allem die hintersten Stehplätzer waren immer noch eingerostet oder vielleicht auch nur eingefrostet von der winterlichen Kälte, welche draussen herrschte. So foppte er die Zürcher damit, als er meinte: Mein Therapeut rät für solche Situationen, ich soll positiv bleiben, um die Leute nicht zu demotivieren. Ihr seid sagenhaft gut – lange Pause – für eine Stadt wie BASEL! Postwenden kam die Reaktion: Bis in die hintersten und letzten Reihen wurde ab diesem Zeitpunkt dann richtig gefeiert.

2/3 Liebe 1/3 Vodka

Campino wäre bestimmt ein genialer Barkeeper, denn er weiss, was einen gelungenen Cocktail ausmacht. Die Setlist enthielt von echt alten zu ganz neuen sowie von wilden bis romantischen Songs einfach alles. Eine perfekte Mischung aus gutverdaulichem Stoff. So standen auch Songs wie Hang on Sloopy oder Schrei nach Liebe von der jungen Berliner Band (den Ärzten), welche man gemäss Campino eine Chance geben soll, auf dem Programm. Seine Ansagen waren gekonnt kurz aber prägnant. Obwohl sie witzig waren, fand ich es ein wenig Schade, dass er manchen Spruch, bereits am Openair St. Gallen (Negative White berichtete) gebracht hatte, wiederholte. Das wirkte geplant. Er war dabei aber authentisch und die Fans wissen, dass er dafür einsteht, worüber er singt.

Massive Publikumsnähe

Trotz seines doch fortgeschrittenen Alters lebt der graue Panther den Punk immer noch. Und so war sein körperlicher wie auch stimmlicher Einsatz gewohnt gigantisch. Vergnügt bediente er sich der gelben Miniwasserkanone und spendierte den vordersten Reihen immer mal wieder eine Bierdusche. Das Publikum wurde eingeladen zum mittanzen, feiern und mitsingen. Der eine oder der andere machte sich auf den Weg via Crowdsurfing nach vorne und für Andi, ein Punk mit grünem Irokesenschnitt, wurde der Abend wohl unvergesslich: Er durfte sich auf der Bühne inszenieren. Für  den Start bekam er den wertvollen Tipp von Campino, dass er sich einfach hinter dem Mikrofonständer verstecken soll, sofern er sich nicht wohl fühle, das mache er auch immer. Andi meisterte den Auftritt bravurös und zum Schluss sprangen die beiden gemeinsam ins Publikum. Wobei es für Campino einen sofortigen Rückzug gab, sonst wäre er wohl in der kreischenden Groupie-Masse untergegangen.

Mit Tage wie diese und einem gigantischen Regen aus roten und weissen Papierschlagen und Fetzen beendeten die Toten Hosen den Auftritt. Für das Erste zumindest, denn Campino wollte mal noch so richtig Krach machen und so schmetterten sie Strom von der Bühne runter. Sogar Kuddel kam aus sich raus und die Hosen brachten etwas ganz Neuartiges: Er meldete sich zu Wort mit einem Grüezi. Ein wenig Tradition kam dann aber später nochmals hinzu mit Eisgekühlter Bommerlunder. Die Band fragt sich wahrscheinlich heute noch, wieso die Leute so darauf abfahren, auf diesen höchst niveauvollen Song.

Wie am Openair St. Galllen brachte Campino frohe Kunde bezüglich den Pyros. Er habe extra für die Fans eine Wahnsinns-Pyro-Show vereinbart. Und so stieg er mit seinem bengalischen “Zündhölzli” zu den sehr erfreute Tribühnenzuschauer, zu den zwar so gut wie fast nicht genutzten Sitzplätzen, und feiert für eine Runde oben weiter.

Nachdem die Punker zum vierten Mal auf die Bühne kamen, war dann auch mit You’ll never walk alone leider Schluss. Die Show endete wie sie begonnen hat: Mit einer Welle der Begeisterung, dieses Mal mit mehreren La Olas.

[nggallery id=225]