Scooter: Es darf auch einfach mal oberflächlich sein

Bild: Michelle Brügger

Nackte Haut, Feuer und Stimmung. Das umreisst den Abend des 19. Februar im Hallenstadion in vier Worten. Ausführlich liest du hier, warum tiefgründige Texte nicht immer ein Muss sind, warum das Drumherum manchmal einfach wichtiger ist.

DJ Dave202 ist der Opener für diesen Abend. Keine unbekannte Grösse in der Schweizer DJ Szene.
Er verspricht uns ein paar Minuten Warm-up-Programm bis Scooter mit ihrem Konzert beginnen werden. Aus den paar Minuten werden 45 Minuten. Begeisterung im Publikum sieht anders aus. Dave hat auch nicht viel Platz auf der Bühne, das Licht ist spärlich. Viel Bumbum, ein paar Melodien, die ich aus meiner Jugend kenne.

Ich will noch ein bisschen vögeln…

Sätze wie: «Ich will noch nicht gehen, ich will noch ein bisschen vögeln» oder «Raise your hands up in the air like you don’t care» sind zwar sehr eingängig, aber mitreissen will mich Dave mit dem Trance nicht so recht. Liegt es an meinem Platz? Ich spaziere umher – besser wird es nicht. Der Bass ist eher lahm, das Ganze auch ohne Gehörschutz eher leise. Zugegebenermassen ist das nicht mein Sound. Bevor ich jetzt nach meinem Geschmack urteile, suche ich mir Hilfe und treffe auf Lukas und Michi.

Sie bestätigen die objektiven Kriterien: «Es war viel zu leise und der Bass war kaum vorhanden. Aber er war nicht schlecht!», meint Michi. «Warst du schon mal am Tomorrowland?», fragt mich Lukas. «Das ist eine komplett andere Welt, und der Sound reisst dich mit, auch wenn es nicht deiner ist. Es ist das ganze Drumherum!» Ich bedanke mich und verabschiede mich wieder in die Halle.

Wicked waiting

Gespanntes Warten auf Scooter. Um 21:00 Uhr hätten sie loslegen sollen. 21:17 Uhr, noch immer kein H.P. Baxxter auf der Bühne. Eine kurze Welle mit Buhrufen und Pfeifen ergreift das vorwiegend stehende Publikum im Hallenstadion. Ich schaue nochmals aufs Handy, welches mir fast aus der Hand fällt beim lauten Knall, der das Konzert initiiert.

Blaue Laserstrahlen fluten das Stadion. Untermalt von epischer Musik schwebt mittig vor der Bühne eine riesige Pappmaché-Faust zur Decke.

Bild: Michelle Brügger

Als der Mittelfinger sich dem Publikum entgegenstreckt, wird die Bühne von Tänzerinnen und Tänzern vereinnahmt, die Fahnen mit dem Lautsprecher-Symbol schwingen, das auch auf der neuesten Platte Forever zu sehen ist, die Scooter seit September 2017 am Start haben. Ein fulminanter Auftakt. Den Blick durchs Publikum wandern lassend, stellt man fest, dass das Durchschnittsalter bei etwa 35 Jahren liegen dürfte.

Sexistisch?

Nun stürmt H.P. die Bühne, das Publikum ist pauschal begeistert. Seine 53 Jahre sieht man ihm nicht an. Die 25 Jahre, in denen er mit Scooter nun schon Erfolg hat allerdings schon. Er weiss genau was sein Publikum will und davon hat er viel. Viel «Wicked Wicked», viel nackte Haut bei den Tänzerinnen im Gegensatz zu den sehr angezogenen Tänzern. Kurz keimt der Sexismus-Gedanke auf, der den ganzen Abend etwas fade über der Bühne hängt. Während sich die Damen in High Heels und Kostümen, die mehr zeigen als verbergen, abmühen, sind die Herren sehr leger gekleidet, mit bequemen Turnschuhen, Jeans und Shirts. Sie alle sorgen dafür, dass auf der Bühne etwas zu sehen ist. H.P. läuft mehrheitlich hin und her, seine zwei Musiker stehen hinter ihren Installationen.

Diverse LED-Wände bilden das Bühnenbild. Die Farbschemas wie auch die Special Effects kommen sehr gut zur Geltung. Für richtige Höhepunkte sorgen immer wieder Einspieler, die einfach jeder im Publikum kennt. Whatever you want von Status Quo ist nur eines von vielen an diesem Abend. Schlag auf Schlag wütet ein Song nach dem anderen ins Publikum, das komplett am Ausrasten ist.

Ein anderer Einspieler aus Scarborough Fair, welches wir von Simon and Garfunkel kennen, wird von den Tänzerinnen in weissen Gymnastikanzügen begleitet. Sie schwingen Bänder an Stöcken, die wir aus der rhythmischen Gymnastik kennen. Alle Tänzer haben echt was drauf, das darf man an dieser Stelle erwähnen.
Was die eine Tänzerin mit der Schaf-Maske dabei symbolisieren sollte, bleibt ein Geheimnis, aber dem Publikum hat es gefallen.

Bild: Michelle Brügger

Langeweile? Fehlanzeige!

Scooter haben bei ihrer Show keine Sekunde Langeweile aufkommen lassen. Es gab immer etwas zu sehen. Bei How Much Is The Fish wurden beispielsweise mit Helium gefüllte Haifische ins Publikum getragen. Danach schwebten sie ferngesteuert durch das Stadion.

Eines der Highlights war die Einlage bei Fire H.P. stand mit Gitarre auf der Bühne, aus der nach ein paar Riffs die Funken nur so sprühten. Aufgefangen wurde der Funkenregen vom Helm auf dem Kopf des Mannes an den Synthesizern – Michael Simon. Phil Speiser hingegen hatte genug Feuer, um sich noch eine Zigarette anzuzünden. Vor der Bühne schossen Feuerkugeln hin und her, ein wahres Fest für die Augen.

Bild: Michelle Brügger

Es war eine rundum gelungene Show und ich glaube nun zu verstehen, was Lukas und Michi mir vor dem Konzert gesagt haben. Es ist das Drumherum, was zählt. Abschliessend kann ich sagen, dass der Abend viele WTF-Momente hatte, die ich so schnell nicht vergessen werde. Eine riesige Fete für die Zuschauer und eine Menge Spass, die von der Bühne aus ins Publikum schwappte. Vielleicht lohnt es sich doch, einmal ans Tomorrowland zu reisen?