Get Motorpsychoed! Eine Psychedelic-Rock-Odyssee im Dachstock

Bild: Samuel Riedo

Was alles so an einem Motorpsycho-Konzert abgeht: Man wird in Lärm gebadet, man schüttelt genüsslich die Mähne, verliert sich in psychedelischer Trance und wird früher und später aus den Socken gehauen. Die Altmeister des Space Rock haben den Dachstock auf eine Psychedelic-Rock-Odyssee entführt. 

Freitagabend, eine lange Schlange hat sich vor dem Dachstock gebildet. Nach zwei Gigs im Salzhaus Winterthur und in der Luzerner Schüür verabschiedet sich Motorpsycho von der Schweiz mit einem letzten Konzert im Dachstock. Vorband gibt es keine, braucht es auch nicht. Motorpsycho hat nicht vergebens einen Ruf für lange Auftritte.

Im Innern des lauschigen Dachstocks arbeiten die Nebelmaschinen und andere Raucherzeuger bereits auf Hochtouren, auf der Bühne türmen sich Gitarren- und Bassverstärker in die Höhe, in der Mitte thront das Drum-Kit des neuen Schlagzeugers Tomas Järmyr. Je länger wie mehr füllt sich der Saal, die Leute drängen nach vorne und die Vorfreude steigt.

Norway’s finest

Seit 1989 sind die Norweger Motorpsycho aus Trondheim für ihren durchdringen und progressiven Space Rock bekannt und entpuppen sich als wahre Arbeitstiere: Über 20 Alben, EPs und Compilations haben über die Jahre Motorpsycho schon veröffentlicht, vorerst noch kein Ende in Sicht. Stetig auf der Suche, sich als Trio weiterzuentwickeln.

Fester Bestandteil dabei sind Gitarrist Hans Magnus Ryan und Multiinstrumentalist Bent Sæther. Seit der High School machen die beiden zusammen Musik. Über die Jahre haben Drummer oder Keyboarder allerdings immer wieder gewechselt. Mit dem neuen Schlagzeuger Thomas Järmyr wurde im vergangenen Jahr das Doppelalbum The Tower eingespielt und eine ausgiebige Tour durch Europa geplant.

Un chien d’espace

Dann ist es soweit: Unter tosendem Applaus und Rauchschwaden besteigt das Trio die Bühne und bewaffnet sich mit ihren Instrumenten. Das Konzert beginnt mit einem ruhigen und melancholischen Thema zweier Gitarren. Verträumte Melodien erklingen, in die man sich direkt verlieben kann.

Mit Leichtigkeit fahren die beiden Gitarristen Bent Sæther und Hans Magnus Ryan ein wuchtigess Gitarrenbrett auf. Ein Schwall verzerrter und mitreissender Klänge erfüllt den Saal. Wieder wird es ruhig und Bent Sæther verzückt mit seiner typisch aufhellenden Stimme. Motorpsycho setzt mehr aus psychedelische Klänge als Gesang. Sæther hantiert am Synthie und zu echoarrtigen Tönen verliert sich das Trio im tiefsten Drone und findet sich selbst in einer psychedelischen Traumlandschaft wieder.

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Der Synthie legt einen himmlischen Klangteppich während Hans Magnus Ryan seine Gitarre in sphärische Höhen singen lässt. Sæther liefert mit mitreissender Rhythmusgitarre ein treibendes Riff als Fundament einer psychedelischen Odyssee. Das Schlagzeug setzt ein, erst mit Akzenten auf der Snare und schlussendlich mit entfesselndem Rhythmus dem Riff folgend. Langsam und sicher fühlt man sich in Trance versetzt.

Das Riff entpuppt sich als steigernde Klanglawine, die Gitarre kreischt wild und verzerrt und Tomas Järmyr haut härter auf sein Schlagzeug. Mit Fingerspitzengefühl wird aus Melodie Wildheit und aus Traum allmählich Albtraum. Tempowechsel, Strobo flutet wellenartig den Dachstock, die Augen sind geschlossen und die Haare wehen wild. Sæther treibt immer noch gnadenlos mit seinem repetitiven Rhyhtmusriff an und nach sich endlos steigernder Ekstase brandet schliesslich Motorpsycho in einem lärmigen Klangfeuerwerk.

Das Trio findet sich wieder in den sanften Anfangsakkorden des Stücks wieder und mit dem Wiederaufnehmen des Anfangsthemas wird das erste Lied des Abends beendet. Dies nach über 25 Minuten. Da ist man erstmal baff. Was für eine psychedelische Rock-Odyssee.

Gnadenloser Groove

Das Trio bedient sich aus einer breiten Palette an Songs von neun Alben und weiss auf ruhige wie auf harsche Weise zu hypnotisieren. Every Dream Home, gnadenlos wird gegroovt. Monströse Riffs à la Black Sabbath lassen sämtliche Mähnen in den ersten Reihen schwingen und treffen auf Rhythmik, wie man sie von Led Zep kennen könnte und branden in psychedelischen Floyd-Zwischenteilen. Ob schwappende Stoner-Akrobatik oder Classic Rock Riffs wie in On A Plate, das Trio fasziniert und bricht immer wieder in ruhige und süchtig machende Space Rock teile aus.

Die Ewigkeit kann so schön sein

Ein endlos scheinendes Konzert. Nach der ersten Stunde sind erst vier Songs gespielt. Das Trio liebt Jams, verspielt sich in abgespacede Trance und liefert mit knochenharter Gitarrenarbeit den Stoff, aus dem Nackenschmerzen gemacht werden. Das Publikum scheint die krachvollen Klangbäder ebenfalls zu geniessen, sei es in haareschüttelnder Manier, mit geschlossenen Augen oder dem dauerhaft repetitiven Kopfnicken.

To infinity and beyond

Da Motorpsycho aus über zwanzig Alben Songs auswählen kann, weiss man nie, was einen erwartet. Bei jedem Konzert entsteht entsteht eine abwechslungsreiche Setlist und jedes mal kann man sich in neuen Liedern verlieren und sich in sie verlieben. Bei mir war es definitiv Un chien d’espace, ein wahres Meisterwerk an Struktur, Tiefe und ausuferndem Höhepunkt.

Die Zeit geht schnell vergessen, und nach um die zweieinhalb Stunden Lärm, Schall, Krach und Rauch verabschiedet sich Motorpsycho unter tosendem Applaus von Bern und hinterlässt einen bittersüssen Nachgeschmack mit Sehnsucht auf ihre nächste Tour. Ach ja, und Nackenschmerzen natürlich auch.