Kiss verabschiedeten im Zürcher Hallenstadion von den Schweizer Fans. Natürlich war es eine bombastische Show. Doch die Klangqualität war auf dem Niveau von Katzenmusik.
Was erwartet man von einer Band, über die ich ich gleich zwei negative Rückmeldungen bekomme? Angesprochen auf das anstehende Abschiedskonzert von Kiss, meinte einer meiner Kunden: «Das war wohl das einzige Konzert, welches ich jemals vor dem Ende verliess.» Und auch mein Chef sagte: «Ich musste nach einer halben Stunde bereits abhauen. Der Sound war so mies, dass man vermuten hätte können, eine Kinder-Coverband von Kiss sei auf der Bühne. Aber es waren Kiss in Persona.»
Meine Erwartungen waren demnach so tief, dass ich mich hinterfragte, ob das nun eine gute Idee war, mich für das Konzert zu melden. Ich nahm mir vor bis mindestens zum Song I was made for lovin‘ you zu bleiben.
Mal was anderes
Aber zuerst musste ich noch durchs Malen nach Zahlen. Ach ne, Action Painting nennt sich das ja! David Garibaldi hat es, um ehrlich zu sein, schon krass im Griff: Mit ein paar Pinselstrichen malt er Gemälde von Stars und die lassen sich sehen. Aber trotzdem hätte man diesen Programmpunkt auch einfach weg lassen oder zumindest eine kleine Quizshow veranstalten können für all die Kiss-Fans mit dem Gewinn eines Meet and Greet. Da wäre sicher eines der geschminkten Doubles total aus dem Häuschen gewesen.
In Zürich wimmelte es nämlich nur so von sehr miserabel, aber auch sehr gut geschminkten Kiss-Kopien. Da dachte man sich manchmal schon: Krass, Kiss fahren mit dem Auto durch Oerlikon. Dass Kiss Kult sind und unzählige Anhänger haben, namentlich die «Kiss Army», deren Wappen auch zu Beginn der Show eingeblendet wurde, ist unbestritten. Nach dem Konzert frage ich mich allerdings noch mehr, wieso das so ist. Aber hey, gutes Marketing meine Herren!
Aber nun mal zum Konzert. Eine Abschiedstour von solch Megalegenden muss ja schon etwas Funken und Knallen. So kam das Quartett für den ersten Song auch mit Feuerregen von der Decke her runtergesegelt. Schon nach dem ersten Song war klar: Mit Klangqualität wird das heute nicht viel werden. Ob das nur am Hallenstadion lag, wag ich zu bezweifeln. Die Vocals waren zu leise, aber als ich das Sternenkind bei seinen Ansagen abwechslungsweise ins Mikro krächzen und dann wieder schreien hörte, als wäre er im Stimmbruch, dachte ich: Na ja, auch nicht sooo tragisch. Die Herren sind schon etwas in die Tage geraten und um die 70 kann man nicht mehr eine Top-Leistung erwarten, aber er hätte ja einfach normal zu uns sprechen können.
Ich muss ihnen aber zugestehen: Mit Perücken und Schminke im Gesicht sowie ihren coolen Outfits gaben sie immerhin optisch das her, was man von ihnen seit dem ersten Tag kennt. Die Bühnenpräsenz war da und man kann sagen, dass sie sich noch bewegen können und zumindest etwas «Pfupf» haben. Auch die Einlage, als Starchild über den Köpfen, sich an einem Ring festhaltend, auf die kleine Bühne tragen liess, machte Eindruck.
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Dort angekommen spielten sie dann auch den Song I was made for lovin‘ you. Da schon mindestens Dreiviertel des Konzertes vorbei waren und das Ganze nicht derart tragisch war, entschied ich, bis zum Schluss zu bleiben. Auch wenn mir spätestens bei diesem Song auffiel, was die Aussage mit der Kinder-Coverband wirklich bedeutete. Gruselig! Den Song höre ich mir dann doch lieber ab Platte an!
An geiler Bühnentechnik und Pyro mangelte es der Show, auch wenn der Funke bei mir nicht sprang, bestimmt nicht. Schon geil, was man alles so machen kann! Was ich hingegen etwas «vörig», wie man so schön sagt, fand, war die Kunstblut-Eskapade. Aber manche Fans fanden das zum Tosen toll, als dem alten Mann mit Doppelkinn Blut aus dem Mund lief. Da machte die feuerschiessende Gitarre doch mehr Spass, auch wenn wir das erst gerade bei die Ärzte in einer Light-Version hatten. Apropos, die Ärzte meinten, sie seien die einzige Band, die sich Mühe gäbe. Das stimmt so nicht. Denn Kiss gaben sich definitiv auch Mühe; hatten es aber auch, sagen böse Zungen.
So und nun kommen wir noch zum Tiefpunkt, bevor ich dann doch nochmals nett werde.
Katzenmusik mal anders
Wo es mir dann schon fast ablöschte war, der Zeitpunkt, als ich dachte: Ich wollte eigentlich nie Cats (das Musical) sehen. Aber da haben wir es nun unfreiwillig. Bei der Zugabe begab sich nämlich The Catman ans Klavier und ich traute meinen Augen und Ohren nicht. Schrecklich ist nur der Vorname.
Abgesehen von dieser Einlage gab es aber gegen Schluss noch ein paar richtige Knaller, bei denen ich dann auch kopfnickend mit dabei war. Zusammen mit vielen weissen und ein paar schwarzen, mit Kiss bedruckten Ballonen sowie ganz viel Feuerwerk und Hebebühnen, welche Kiss nochmals ganz nahe brachten, schlossen sie das wohl letzte Konzert in Zürich wirklich bombastisch ab.
Ich kann verstehen, dass für jemand, der mit Kiss gross geworden ist und mit ihnen rebellierte, dies ein legendäres Konzert war, bei dem man die Band nochmals so richtig abfeiern konnte. Aber für mich – offensichtlich kein grosser Kiss-Fan – war es etwas schwierig, da reinzukommen. Trotzdem bin ich froh, sie noch gesehen zu haben und es nicht wie bei Motörhead bereuen zu müssen, meine Chance verpasst zu haben.