Seit dem Bergmal Festival im Post-Rock-Blues? Leech und Krane wussten vergangenen Samstag im Old Capitol die Entzugserscheinungen mit verzerrter Schönheit zu lindern.
Old Capitol in Langenthal? Als Freiburger noch nie davon gehört. Hätte ich auch nicht, hätte Leech nicht vergangenen Samstagabend dort gespielt. Vor drei Wochen war man noch am Bergmal Festival im Dynamo und der Post-Post-Rock-Blues sitzt bereits sattelfest im Gemüt, jetzt sehnt man sich erneut nach der hypnotisierenden und ekstasierenden Engelsmusik (Entschuldigung für die Übertreibung). Ein Lichtschimmer bildete da schon seit langem Leech im Old Capitol. Mit den Baslern Krane als bissiges Post-Metal-Apéro, umso besser.
Angekommen in Langenthal, der November entpuppt sich als regelrechtes Herbstmonster und rasch wird Zuflucht im Konzertsaal gesucht. Das kleine aber feine Old Capitol besticht mit gutem Bier, toller Lichtshow und abgespaceder Deko. Was will man mehr?
Neblig mit Aussicht auf Post-Metal
Kurz vor acht Uhr, dichte Nebelschwaden durchhüllen die Bühne, während violettes Licht den Saal durchflutet. Siehe da, die Band steht bereits auf der Bühne, nicht das man sie durch den Nebel hätte erblicken können. Langsam lichten sich die Schwaden und die vier Herren von Krane stehen auf der Bühne. Es wird nicht lange gefackelt, zwei metallechzende Klampfen fahren ein furioses Brett von Gitarrensound auf, dies so laut, dass sogar der Drummer übertönt wird. Schlag auf Schlag beweist das Quartett mit ihren bissigen Riffs ihre Post-Metal-Präzision.
Krane, bleischwere Wildheit
Zwei Songs und zwanzig Minuten später, keine Frage, Krane trägt ein bleischweres Post-Metal-Korsett, dass bei ihren ekstatischen Aufbau zuletzt mit wilder Gitarrenarbeit aus allen Näten zu platzen scheint. Das repetitive Klanggewitter weicht sphärischen Untiefen, ehe wieder auf einen verzerrten Höhepunkt hingearbeitet wird. So laut, so gut. Nach rund fünfundvierzig bleiernen Minuten verabschiedet sich die Band von einem dankbaren Publikum.
Post-Rock, wie er leibt und lebt
Langsam und sicher füllt sich das Old Capitol und die Nebelmaschinen arbeiten erneut auf Hochtouren. Zeit, dass Leech die Bühne einnimmt. Unter tosendem Applaus wird dies dann auch getan. Eigentlich könnte ich mir den Artikel sparen, habe ich mir an diesem Punkt gedacht.
Wer Leech bereits einmal oder mehrmals live gesehen hat, weiss worauf man sich einlässt: Die feinfühlige Dynamik, das packende Songwriting, die himmelschreienden Gitarren, die mitreissende Rhythmik, die bombastischen und ekstatischen Höhepunkte, das verträumte Schütteln der Mähne und das baffe Gefühl nach jedem Song-Ende. Post Rock im massgeschneiderten Anzug, bei welchem jeder Ton sitzt.
Zuflucht in verzerrter Schönheit
Na gut, machen wir es trotzdem. In ruhiger Manier füllen erste reverblastige Klänge den Saal und dosieren die Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer ordentlichen Portion Melancholie. Über einem satten Schlagzeugrhythmus folgen sphärische Gitarren und das Xylosynth setzt mit träumerischen Klängen ein idyllisches Thema. Minutiös und mit Fingerspitzengefühl wird auf einen dammbrechenden Höhepunkt hingearbeitet, bei welchem man sich in einer Flut verzerrter Schönheit wiederfindet. Ganz ohne Gesang, ein instrumentales Lied weiss mehr zu sagen als tausend Worte.
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Über idyllischer Hypnose zu krachenden Nackenschmerzen
Das Publikum zollt nach jeder Post-Rock-Odyssee frenetischen Applaus. Die Band beweisst mit ihrer langjährigen Erfahrung, wie Post-Rock zu klingen hat und besticht mit einzigartigem ausgeglichenem und einfahrendem Sound. Eine achtliche Leistung bei drei Gitarren, Bass, zwei Synthies, Xylosynth und Schlagzeug. Neunzig Minuten lang erliegt man dem melancholischen und instrumentalen Storytelling der Band, wird mit nostalgischen Xylosynthtönen hypnotisert und mit lauten Klangmantren in Trance versetzt, ehe man sich im Ach und Krach des Schlagzeugs Nackenschmerzen holt.
Wer Leech schon live gesehen hat, dem ist dies nichts neues. Trotzdem geht man immer wieder hin. Wer bisher noch nicht das Vergnügen hatte, Leech live zu sehen, den sollte dieser Artikel hoffentlich umstimmen können.
An einem Post-Rock-Konzert? Bitte Klappe halten!
Gegen Ende des Konzerts ist mir leider wieder einmal aufgefallen, wie unnötig laut es manchmal an Konzerten in den Publikumsrängen sein kann, deshalb widme ich hier den letzten Abschnitt meines Konzertberichts meiner unterdrückten Wut, welcher ich hier freien Lauf lasse.
Man kennt es, wenn einem einmal etwas Nervtötendes aufgefallen ist, fällt es es einem umso schwieriger, dies zu ignorieren. Nebst dem bierlallenden Gequatsche, welches normalerweise in der verzerrten Schönheit von Post-Rock-Konzerten untergeht, ist mir leider ebenfalls eine überglückliche Konzertbesucherin aufgefallen, welche während dem Konzert mit lauten Zurufen ihre Freude ausdrückte. Versteht mich nicht falsch, ich finde es ebenfalls toll, wenn man an Konzerten seine Freude ausdrücken kann, allerdings gibt es die von der Gesellschaft dafür vorgesehenen Stellen, nämlich jeweils am Ende eines Songs. Ist das so schwierig zu verstehen? Diese Stelle ist dazu da, seine Hände laut und unkoordiniert zusammenzuklatschen und irgendetwas Postives in Richtung Band zu rufen oder zu pfeifen, was diese ebenfalls glücklich macht. Aber muss man denn während eines Songs alle dreissig Sekunden etwas hineinrufen? Und dies nicht einmal im Takt?
Wir sind an einem Post-Rock-Konzert, Himmelherrgott, nicht auf einer Achterbahn. Höchstens auf einer Achterbahn der Gefühle, jedenfalls mit Leech. Somit ende ich wieder auf einer positiven Note.