Mama in da Salzhaus

Plattentaufe mit Magen-Darm-Virus

Bild: zvg

Mama Jefferson tauften im Winterthurer Salzhaus ihr Debütalbum «Jizzmag». Die Umstände sprachen gegen das Schweizer Trio, doch ihre Leidenschaft ist unzerbrechlich.

Jizzmag. So heisst das langerwartete Debütalbum des Schweizer Rocktrios Mama Jefferson. Drei Jahre sind vergangen, seit die Band um das kleine Energiebündel Vanja Vukelic blitzend und donnernd auf dem Radar erschienen. Liquor Liquor war die erfrischende Portion Lärm. Solch dreckigen, rotznäsigen Rock hat man lange nicht mehr gehört. Ganz dreist nannten sie 2017 dann die erste EP Best Of.

Am 1. März 2019 folgte das Album: Jizzmag vereint zehn frische Songs – darunter die beiden Vorab-Singles Media und Banana White House. In vieler Hinsicht ist das Album die logische Weiterentwicklung. Raffinierte Riffs, kompromissloser In-die-Fresse-Sound, kantige Arrangements. Aber bereits das Groove-Monster Banana White House deutete an, dass man sich auf mehr als die knackigen Rock-Nummern gefasst machen musste. Spielerischer sind Bassistin und Frontfrau Vanja Vukelic, Gitarrist Silvan Gerhard und Drummer Mattia Ferrari an die Songs herangegangen. Vukelic, die dank Liquor Liquor den spuckenden Sprechgesang zum Markenzeichen ihrer Musik gemacht hat, bezeichnet sich selbst nicht als Sängerin. Doch mit dem überraschend ruhigen Baron beweist sie uns – und vielleicht sich selbst – das Gegenteil.

Kaltstart

Kurz vor 22 Uhr ist die Stimmung in der Winterthurer Musik-Institution Salzhaus locker bis angetrunken. Das St. Galler Duo Elio Ricca hat gerade ihre Show abgeschlossen. Das Publikum – geschätzt zwischen 200 und 300 an der Zahl – wartet nun gespannt. Denn Mama Jefferson sind im Begriff, zwei Monate nach dem Release, Jizzmag gebührend zu feiern. Allerdings geht ein Gerücht um: Gitarren-Held Silvan ist gesundheitlich heftig angeschlagen – irgendein Magen-Darm-Virus.

Das Trio steigt auf die Bühne. Aus der Distanz lässt optisch nichts darauf schliessen, dass ein Drittel der Band völlig zerstört sein soll. Doch der Start ist tatsächlich verhalten: Anstatt sich kopfüber ins Wasser zu stürzen, streckt die Band erst den kleinen Zeh rein. Als prüften sie, wie hoch die Drehzahl ihres Motors heute schiessen kann, ohne zu explodieren.

 

Naturgewalt

Doch nach dem Kaltstart wurden Mama Jefferson konstant heisser. Das Adrenalin verdrängt die Bedenken und Beschwerden. Und die Kinder der Mama eskalierten spätestens bei Fame: Als Plattentaufe-Special kam der Saxophonist Roman Weissert auf die Bühne und erweiterte den Klang-Atlas der Band auf einen Schlag. Absolut grandios!

Etwas über eine Stunde lieferte Mama Jefferson genau das, was sich alle erhofften: Mitreissende Rockmusik. Mattias Drums knallten wie ein 1.-August-Feuerwerk. Vanjas Bass synchronisierte die Herzschläge. Silvans fräsende Gitarre liess einen um die restlichen Säulen im Salzhaus fürchten.

Ohrenbetäubend lärmten sie, die instrumentalen Intermezzi waren absolute Höhepunkte. Tatsächlich sind sie am glücklichsten, wenn sie ungehemmt reinbolzen können. Aber es ist nicht die Lautstärke, die Mama Jefferson zur Sensation machen, sondern die Leidenschaft fürs Handwerk. Ehrliche, hausgemachte Musik aus Mamas Küche. Und nichts unterstrich das sprudelnde Herzblut besser als Silvans Magen-Darm-Virus. Was er diesem Zustand zusammen mit der Band ablieferte, die Soli, die er vom Brett riss, sind nur weitere Beweisstücke für das kugelsichere Urteil: Mama Jefferson sind eine Naturgewalt.