Michael Bublé und Tina Turner im Duett

Über Liebe, Spass und wunderbare Unterhaltung im Hallenstadion

Zumindest liess uns das Michael Bublé für gute 10 Sekunden glauben. Ein Raunen gepaart mit Gänsehaut ging durch das beinahe ausverkaufte Hallenstadion, als er Tina Turner ankündigt. Möglich wäre es ja – schliesslich ist Zürich seit Jahren die Wahlheimat von Tina Turner. Dass es sich dabei aber nur um eine gut inszenierte Retourkutsche ans Zürcher Publikum handelt, lässt mich laut loslachen. Der Einstieg verspricht einen unterhaltsamen Abend. Wir werden in den nächsten 2 Stunden nicht enttäuscht, wenn Bublé immer mal wieder einer seiner unvorhersehbaren Spässe macht.

Doch wie kam es jetzt dazu, dass Michael Bublé die Diva des Rocks ankündigt und einfach mal kurz das ganze Hallenstadion veräppelt? Nach seinem zweiten Song begrüsst der Künstler das Publikum umschwänglich und wenig glaubwürdig, er freue sich, wieder hier in Zürich zu sein. Wir hätten eine tolle Halle und alles sei wunderbar. Er werde alles geben – vorallem auch wegen der zahlreich vertretenen Herren im Publikum, die an diesem Mittwochabend auf ein Fussballspiel verzichten würden. Es spiele doch gerade der FZ Zürich gegen den FC Basel. Er sei ein riesen Fussballfan und vorallem sei er ein riesen Fan des FC Basel. Wen wundert es da, dass Bublé ein heftiges Buhkonzert entgegenschlägt? Nun… offensichtlich wundert es Michael Bublé. Etwas verdattert steht er da, fragt ob er etwas falsches gesagt habe und dass ihn das Gebuhe total aus dem Konzept gebracht habe. Dann fährt er fort und meint, er sei sich sicher, dass er diesen faux pas gleich wieder wettmachen könne. Gleich seien alle wieder gut gelaunt und würden ihm das verzeihen, denn jetzt käme TINA TURNER auf die Bühne.

Schock, Stille, ein Raunen geht durchs Hallenstadion, spontaner Applaus errodiert und hie und da hört man ein paar Kreischer aus dem Publikum. Dann meint er mit aufgesetzt missbilligendem Gesichtsausdruck: «So. Ihr dachtet also, dass Tina Turner jetzt rauskommt, oder? Sie kommt aber nicht. Das habt ihr davon, wenn ihr denkt, ihr könntet mich ausbuhen! Merkt euch das!»

Michael Bublé veräppelt das Zürcher Publikum. Bild: Michelle Brügger

Ich lache laut los, denn mir schossen in den vergangenen 10 Sekunden auch tausend Gedanken durch den Kopf und noch viel mehr Emotionen durch den Körper. Und wie bei manchen Filmen mit unerwartetem Ende schiessen dir die Szenen durch den Kopf, die ein Aha-Erlebnis auslösen. Er ist gut informiert, der Herr Bublé und das war definitiv kein Fettnapf, das war pure Absicht mit dem «falschen» Fussballclub. Von wegen aus dem Konzept gebracht… Wäre er mir nicht schon vorher sehr sympathisch gewesen, dann spätestens jetzt. Es sollte nicht das letzte Mal sein heute Abend, dass er uns auf die Schippe nimmt.

Bei manchen Songs schwelgt der charmante Italo-Kanadier in Erinnerungen, sowohl schöne wie auch schlechte Zeiten. Bei seiner Cover-Version des Dean Martin Songs Sway erzählt er uns alte Familiengeschichten. Bevor er Buona Sera Signorina singt, erzählt er uns wie sein Grossvater ihn damals als Minderjährigen in einen Club schmuggelte, um an einem Gesangswettbewerb teilzunehmen. Er gewann prompt, aber da er zu jung war, wurde er disqualifiziert. Die Veranstalterin war jedoch von seinem Talent so überzeugt, dass sie ihm half, beim British Columbia Youth Talent Search teilzunehmen. Er gewann auch diesen Wettbewerb, als er einen von Grossvaters Lieblings-Jazzklassikern performt. Sein Grossvater habe ihm eine ganz neue Welt der Musik eröffnet, die an seiner Generation vorübergegangen zu sein schien. Dann fügt er an, seine Eltern seien heute im Publikum und sein Opa schaue ihm von oben zu. Er wisse nicht, wie das funktioniere, aber er wisse, es funktioniere.

Bild: Michelle Brügger

Weshalb er 2 Jahre lang nicht mehr auf Tournee war

Unabhängig davon, wie mit dem wachsenden Erfolg die Anzüge ausgefallener oder die Uhren teurer wurden, entscheidend sei, was er darunter trage: die Rüstung, die aus Liebe und Unterstützung seiner Familie geformt sei und ihm all diese Jahre die nötige Kraft gab, um sich der Welt und den Herausforderungen des Lebens zu stellen.

Die Krebserkrankung seines Sohnes verändert den Sänger nachhaltig. Damals erhielt er die Nachricht kurz vor einem Auftritt in London. Seine Frau und er pausieren sofort ihre Karrieren und ziehen nach Kalifornien um, damit sie für die Behandlungen des damals 3-jährigen Noah an seiner Seite sein können. Beide Familien des Elternpaares zogen ebenfalls nach LA, um sie dabei zu unterstützen. Glücklicherweise verläuft die Behandlung erfolgreich und der inzwischen 5-jährige Junge ist krebsfrei. In einem Interview mit der australischen Herald Sun sagte er, die Hölle sei im Vergleich zu dem was sie durchlebten ein sehr schöner Ort, um Urlaub zu machen.

Lange Zeit denkt er nicht mehr über das Musikmachen nach. Erst in diesem Jahr entdeckte er die zurückgestellte Leidenschaft neu und schrieb den Track «Forever Now». Als er während unseres Konzerts die schwere Zeit anspricht, schiessen ihm die Tränen in die Augen. Zu Beginn habe er diesen Song gar nicht veröffentlichen wollen. Er gab ihm persönlich viel Kraft und so spielte er ihn an einem seiner Konzerte, dann an einem weiteren und jedes Mal spürte er, wie sehr ihn das erfüllt. Es geht in dem Song um die Liebe, Eltern zu sein, seine Kinder oder Katzen zu lieben (je nachdem was es dann halt sei). Die Vergänglichkeit der Zeit zu feiern und jeden Moment zu geniessen.

It’s about being a parent, being a Dad or a Mum, loving your kids or your cat. Whatever it is. It’s a celebration of time and its sentimentality, of how quick it goes. When we were pregnant with our first my father told me: «Kid, the days are long but the years are short». It didn’t make a lot of sense at the time. But now it does

Publikumsnah – mittendrin, nicht nur dabei

Das Hallenstadion ist fast komplett bestuhlt. Es entgeht dem Sänger nicht, dass die Stühle rund um die T-Stage so gestellt sind, dass man geradeaus schauen kann und sich nicht schräg hinsetzen muss. Das habe er so noch nie gesehen, aber das sei sehr clever. Es gab nur ein paar wenige Stehplätze direkt um diesen Steg und für rund 50 Leute im sogenannten Bühnengraben (wo im Theater und der Oper das Orchester platziert ist), wo normalerweise die Fotografen für drei Songs stehen.

Irgendwann vergleicht er die Schweizer mit den höflichen Kanadiern. Das sei vermutlich der Grund, weshalb so viele sich nicht getrauen würden, bei den Sitzplätzen einfach aufzustehen und die Sicht zu versperren. Er fordert uns auf, aufzustehen – schliesslich werde man den hinter oder neben sich nie wiedersehen, es sei also relativ egal, was die von einem halten. Man müsse aber nicht aufstehen. Vielleicht denkt man sich: «Nein, ich will nicht tanzen. Ich habe eine Menge Geld bezahlt. Unterhalte mich, Bublé». Das sei natürlich auch legitim.

Bild: Michelle Brügger

Auf der B-Stage schnappt er sich einige Handies, filmt und fotografiert sich. Auch sonst kennt er keine Berührungsängste und gibt sich gewohnt publikumsnah. Seine Frau Luisana Lopilato, Model und Schauspielerin, stammt aus Argentinien. Sie ziehen ihre Kinder deshalb zweisprachig auf, um beide Sprachen an sie weiterzugeben. Jemand schwenkt eine argentinische Flagge und Michael Bublé spricht ihn spontan auf spanisch an. Ein wenig später fragt er, ob jemand aus dem Publikum ein Lied singen wolle. Es meldet sich tatsächlich eine junge Dame, Simone aus Bern, die sehr selbstbewusst den Song Mercedes von Janis Joplin ins Mikrophon trällert. Als nächstes bittet er jemanden aus seinem Orchester um ein Solo. Die Auswahl ist bei nicht weniger als 35 Musikern auf der Bühne immens: Streicher, Bläser, ein Pianist, ein Drummer, drei Backing Vocals und ein Dirigent unterstützen Michael Bublé am heutigen Abend.

Michael Bublé im Hallenstadion
Bild: Michelle Brügger

Nach dem fünften Song verabschiedet sich Bublé vom Zürcher Publikum, winkt und es scheint, als würde er von der Bühne abgehen. Ein paar Buhrufe aus dem Publikum ertönen und Bublé dreht sich um. Das sei das zweite Mal, dass er ausgebuht werde. Aber sein Ego sei dermassen gross, dass er eh nur Buuuuuubléeeeee höre.

Zwischendurch wird er fast etwas philosophisch. Wenn er Musik höre, höre er Gott sprechen. Nach einer kurzen Pause meint er relativ trocken: «Ah. Gar keine Reaktion auf diese Aussage. Geniesst die Hölle, Leute.» Kurz gefolgt von der Ansage, dass er einen Song für alle verliebten Paare im Saal spiele. Und wer Single sei, soll sich doch einem Paar für einen Dreier anschliessen. «Wir werden uns in der Hölle wiedersehen, ich werde auch dort sein», meint er grinsend und performt das Lied When I Fall in Love.

Vierfach mit Grammy-Award ausgezeichnet

Im Zeitraum von 7 Jahren wurde Michael Bublé vier Mal mit einem Grammy-Award ausgezeichnet. Sein erfolgreichtes Album Christmas verkaufte sich über 10 Millionen Mal. Fragt man Michael Bublé nach Weihnachten, beginnen seine Augen zu strahlen. Das sei seine liebste Sache im ganzen Universum, wenn seine Schwester und alle Kinder gemeinsam Weihnachtslieder singen und stundenlang tanzen. Das sei Glück pur.

Gerade als er seinen Traum von der Musik aufgeben wollte, sicherte er sich seinen ersten Plattenvertrag. Er sang auf der Hochzeit der Tochter des früheren Premier Ministers Brian Mulroney. Ebenfalls anwesend war der Produzent David Foster, der von der Performance beeindruckt war und sich schliesslich von Mulroney überzeugen liess, ihn unter Vertrag zu nehmen. Der grosse Durchbruch gelang ihm jedoch erst mit seinem dritten Album, das sich in den USA über eine Million mal verkaufte und Platin erhielt.

Schauspieler und Imitator

Sein Schauspieltalent bewies er uns ja schon ganz zu Beginn des Konzerts. Den wenigsten dürfte aber bekannt sein, dass er bei zwei Staffeln von „The X-Files“ mitwirkte und wegen eines Hot Dogs aus der Show geworfen wurde. Diesen hatte er sich unerlaubterweise geschnappt, was für Statisten verboten war.

Obwohl ihm angedroht wurde, dass er in Hollywood nie wieder als Schauspieler werde arbeiten können, wirkte er in der Komödie Natürlich Blond und einem kanadischen Abenteuerfilm namens The Snow Walker mit. In der daily soap opera Days of Our Lives spielt er einen Loungesänger.

Bei einem Auftritt in AXS TVs The Big Interview with Dan Rather zeigt er sein Imitations-Talent, als er klassische Songs singt und die Sänger imitiert, die sie ursprünglich aufgenommen haben. Im Video zu seinem Song Hollywood imitiert er unter anderem Justin Bieber.

Bild: Michelle Brügger

Ich habe keine Fans – dieses Wort würde ich nie benutzen

Nach Cry Me a River versinkt er auf dem obersten Treppenabsatz mit Hilfe eines Bühnenlifts im Boden. Der Dirigent setzt sich derweil ans Piano und das Orchester legt ein «Solo» hin, bis Michael Bublé zu Where or When am unteren Treppenende wieder auftaucht. Bei diesem Song zeigt er uns ein weiteres Mal seine kraftvolle Stimme. Selbst wenn man das ganze Konzert hindurch nie das Bedüfnis hatte, sich von seinem Stuhl zu erheben, schien das bei Everything anders zu sein. Vielleicht haben sich einige bereitgemacht, vor dem allerletzten Song aus dem Station zu schlüpfen. Aber das haben sie sich vermutlich anders überlegt, als sich Michael Bublé bei den Anwesenden bedankt. Es sei eine grosse Ehre und es erfülle ihn mit Dankbarkeit, das zu tun zu können, was er so liebe. Er werde sich aber nicht bei seinen Fans dafür bedanken, weil man ihn dieses Wort nie werde sagen hören. Das sei kein guter Ausdruck, schliesslich sei das die Abkürzung für Fanatiker und so wolle er niemanden bezeichnen.

In einem Interview meinte Michael Bublé, es sei wirklich schön, wieder auf der Bühne zu stehen. Die positive Einstellung, die er von Fremden erhalte, habe ihm einen echten Glauben an die Menschheit gegeben. Bei jeder Aufführung habe er die Möglichkeit, den Menschen in die Augen zu schauen und seine Wertschätzung auszudrücken und wie Dankbar er für ihre Liebe und ihr Mitgefühl sei. Mit dem Song You are always on my Mind beschliesst er das Konzert nach gut zwei Stunden bester Unterhaltung.

Bild: Michelle Brügger