Kikagaku Moyo gehören momentan zu den spannendsten Acts des Psychedelic Rock. Warum das so ist und wie sich ein Konzert des japanischen Quintetts anfühlt, durften wir im ISC selbst miterleben. Mit schön lärmigem LoFi als Vorgeschmack aus Lausanne inklusive.
Psychedelic boomt und sphärische Klänge erklingen aus allen Spalten. In diesem Überschuss an reverbüberladenen Bands findet sich mit Kikagaku Moyo allerdings eine Perle, welche eine angenehme Abwechslung der psychotropen Weltmusik bildet. Die Gruppe aus Tokyo hat im letzten Jahr ihre vierte Scheibe Masana Temples herausgebracht und ist seither ein gefragter Act, nämlich überall wo man nach bewusstseinserweiternden Klängen lechzt. Das Quintett bringt Psychedelic Folk, Rock und Kraut mit japanischem Touch, betörend und hochprozentig. Der ISC hat die Gruppe vergangenen Samstag mit dem Duo Sun Cousto nach Bern eingeladen.
Kratzend schöner Lärm aus Lausanne
Nebelschwaden ziehen ihre Fäden in den Saal, die Bühne liegt in weich rotem Licht. Die beiden Damen von Sun Cousto betreten in lässiger und nonchalanter Art die Bühne. Das junge Duo aus Lausanne macht seit zwei Jahren die Westschweiz mit kratzig süssem LoFi-Garage-Punk’n’Roll unsicher, gelegentlich gibt es auch einen Ausritt in die Deutschschweiz. Glücklicherweise genau wie vergangenen Samstag. Das Set-Up ist minimal – ein kleines Schlagzeug-Kit, dazu eine Gitarre mit einem Verzerrungseffektgerät und beide ein Mikrofon für den Gesang. Warum mehr, wenn’s schon so bittersüss lärmt und kratzt?
Nie klangen zwei Akkorde besser
Es wird in die Saiten gehauen, die Gitarre schrummelt brummig vor sich her. Das Schlagzeug begleitet mit Ach und Gepolter. Einfach, lässig, roh. Dann ein Tritt auf das Verzerrerpedal und der Saal wird von den rotzfrechen Klängen der Gitarre erfüllt. Dazu werden die Becken des Schlagzeugs ordentlich taktiert und es entsteht ein holpriger und trotzdem unnachgiebiger Groove.
Oftmals liegt das Geheimnis in zwei sich einfach wiederholenden Akkorden mit zweistimmigen Gesang und Lyrics über Geister, Drogenprobleme und Ufos. Manchmal folgt ein wilder Ausbruch in fuzzige Riffs, manchmal eine Ballade über Drogenabhängige. Lo-Fi mit Ecken und Kanten, was jedoch zählt ist die Authentizität. Die beiden legen einen spassigen Auftritt hin, einfach, rau und lärmig.
Einfahrende Entschleunigung
Die Bühne wird erneut in Rauch gehüllt und die fünf Herren von Kikagaku Moyo betreten die mit Instrumenten überstellte Bühne. Ein lärmendes Aufbäumen aller Instrumente und der Basslauf von Green Sugar nimmt Fahrt Richtung Psychedelic Highway auf. Sorgfältig steigt das Schlagzeug mit antreibendem Beat ein, während die Gitarre mit Tremolo-Sound den 60ern huldigt. Die Sitar bringt schlussendlich mit hohen und hallenden Klängen einen typischen japanischen Touch der Band hervor. Was folgt ist ein zwanzigminütiger Setauftakt, welcher auf einen Höhepunkt zusteuert, welcher nie kommen sollte. Sanfter Psychedelic, aber stetig antreibend und höllisch einfahrend.
Es scheint, als würden die Songs als grobe Klanggerüste dienen, an welchem sich die Band nach ihren Jams erneut orientieren kann. Bereits bei einem Ausbruch des ersten Tracks beweist die Band ihre Finesse mit psychedelischen Klängen, bei welchem sich die Musiker minutiös und mit grosser Sorgfalt zusammen einen einfahrenden Drive heraufbeschwören. Dabei verlieren sich alle Bandmitglieder voll und ganz in ihrer Improvisation, einzig Bass und Schlagzeug sorgen für eine rotierende und wummernde Groovegrundlage. Der Song wirkt wie ein natürlicher und euphorischer Fluss, in welchem man sich als Zuschauer mittreiben lässt.
Sanfte Riesen
Nach einer halben Stunde wechseln Schlagzeuger Go Kurawasa und Gitarrist Daoud Popal die Instrumente. Die schnittige elektrische Gitarre weicht einer akustischen und die Band schaltet einen Gang runter. Mit idyllischen Gezupfe schafft das Quartett eine harmonische Soundlandschaft zum Tagträumen, derweil überzeugt Sänger Go Kurasawa mit lieblicher Stimme. Japanischer Psych-Folk als Beruhigungspille in der Mitte des Sets nach ausuferndem Start. Sanfte Klänge von wahren Psychedelic-Grössen.
Ein Lauffeuer von lärmig melodiösem japanischen Psychedelic Rock
Die beiden Bandmitglieder wechseln nach zwei sedativen Songs erneut ihre Plätze, anschliessend nimmt mit einem vorpreschenden und einladendem Bass Dripping Sun seinen Lauf. Nun fährt die Band andere Geschütze auf. Das Schlagzeug steigt mit forschem Beat ein und lässt schmackhaft erste Mähnen schütteln. Die Gitarren singen verzerrt im Duett, die Sitar weicht abgespaceden Retro-Klängen des Synthies. Für den dritten Teil des Sets beweisen Kikagaku Moyo ihre Wildheit und lassen in rasanter Dynamik den Saal in bewusstseinserweiternde Klängen tauchen.
Erneut verliert sich die Band in endlos wirkenden Jams und das Publikum mit ihnen. Es gibt kein Funke, der vom japanischen Quintett auf das Publikum überspringt, sondern ein Lauffeuer. Die Band spielt lauter, verspielter und frecher. Im Dunst der blauen Nebelschwaden spielen sie sich ekstatisch ins Nirwana, die Zugabe dauert wie der Konzertbeginn rund 20 ausufernde Minuten. Kikagaku Moyo präsentierte dem ISC seine Auffassung von psychedelischem Folk bis Rock in seiner schönsten und wildesten Form.