Wer ficken will…

…muss freundlich sein. Dieser Meinung sind jedenfalls die Jungs von Stoneman. Lord of the Lost wissen es besser: Wer ficken will, muss angeben. Diese und weitere feucht-fröhliche Geschichten bot der Konzertabend am 25. September im Zürcher Werk21. Doch fangen wir von vorne an.

Ein überschaubares Grüppchen schwarz gekleideter Gestalten bevölkerte am Sonntagabend das Sihlufer beim Jugendhaus Dynamo. So wie eigentlich jeden Sonntag, wenn man sich zum Ausklang des Wochenendes nochmal zu düsteren Klängen beim Nach(t)brand im Werk21 einfindet.

Doch diesen Sonntag schallt einem schon ein beachtlicher Lärmpegel aus dem Keller entgegen – der Auftakt für diesen vielversprechenden Abend. Namentlich: Scream Baby Scream aus Italien. Mit effektvoller Selbstinszenierung und ihrem wohl selbst ernannten Horror Shock Metal passten sie wunderbar ins dunkle, gruftige Kellergewölbe des Werks und animierten den einen oder anderen zum Tanzen oder wahlweise Headbangen.

Musikalische Anleihen sind am ehesten bei Wednesday13 anzusiedeln und wohl auch den einen oder anderen Schminktipp haben sie sich in dieser Ecke abgeschaut. Obwohl die Stimmung leider noch etwas verhalten war – die Mehrheit der Besucher genoss noch den lauen Herbstabend im Freien – machten die fünf Jungs ihrem Namen alle Ehre. Sänger Damien Die schrie sich die Seele aus dem Leib und auch seine Mitmusiker standen ihm in nichts nach. Gitarrist Rendih, genannt Iron Scrap, schrie sich im Background heiser und verlor gänzlich seine Stimme. Dies vermieste ihm möglicherweise die Aftershowparty – jeglicher Versuch jemanden anzusprechen, beziehungsweise anzukrächzen ging in schallenden Lachanfällen seitens der Umstehenden unter. Was der Arme an Tönen hervorbrachte, erinnerte nämlich in der Tat keiner menschliche Stimme mehr.

Und jetzt noch was zum Tanzen

Nach einer rund halbstündigen Umbaupause stürmten die Schweizer Stoneman die Bühne – und rockten sofort los. Inzwischen war der Keller gut gefüllt und zu schüchtern zum Headbangen und Mitmachen war nun auch keiner mehr. Schliesslich sind Stoneman ja fast schon alte Bekannte in der Szene. Neben älteren Songs wie Devil in a Gucci Dress vom ersten Album oder das dunkle I am taking your Life durfte man sich selbstverständlich einige Songs vom aktuellen Album Human Hater zu Gemüte führen. Wer also ihre kleine Tournee Anfangs des Jahres verpasst hatte, kam hier gänzlich auf seine Kosten. Mit ihrem altbewährten Wer ficken will kriegen Stoneman regelmässig die Reihen zum Mitsingen, so auch heute. Ein absoluter Livesong. Leider herrschte zwischen den Songs oft etwas peinliche Stille – die Bands fummelte an den Instrumenten herum und das Publikum war doch etwas überraschend der plötzlichen Ruhe ausgesetzt. Da tat es gut, dass Sänger Mikki bei Nightmare on Elm Street zum Tanzen aufforderte und dies augenblicklich selbst vorführte. Nach nicht ganz einer Stunde Spielzeit kam die Umbaupause den meisten doch gelegen, um eine kurze Verschnaufpause ausserhalb der Werk21-Sauna einzulegen.

Ihr müsst lauter klatschen!

Ziemlich genau 1.5 Bier und einige Zigaretten später ertönte ein tiefes, norddeutsch-langgezogenes «Züürich» aus dem Werk und der Fall war klar – der Headliner der Abends hatte die Bühne geentert. Beim Betreten des Werks war sofort klar: Lord of the Lost in einer so familiären Atmosphäre – das waren schon zwei Faktoren für ein unvergessliches Konzert.

Im Gegensatz zu anderen Konzerten im kleineren Rahmen entstand keine «Schüchternheits-Lücke» in der ersten Reihe – es fehlte nicht viel und die Fans hätten sich gleich mit auf die Bühne gestellt. Von Beginn an tanzte und sang die begeisterte Meute mit und in null Komma nix brodelte das Werk21 wieder vor Hitze.

Selbstverständlich war der Name der Tour Programm: ihr aktuelles Album Antagony genoss Priorität und wurde beinahe rauf und runter gespielt: We are the Lost, Fragmenting facade, Son of the dawn und viele mehr, wie auch einige wenige ältere Songs waren auf der Setlist vertreten. Zusätzlich bekamen die Fans ein besonderes Schmankerl geboten. Etwa nach der Hälfte der Show wurde plötzlich ein ruhigerer Song mit akustischer Gitarre angestimmt. Nach Chris‘ Angaben spielte die Band diesen selbst erst zum vierten Mal. Dieser Song wird einen Platz auf dem nächsten Album finden.

Beim Publikum fiel auf, dass es alters- und herkunftsmässig bunt gemischt war. Einige Fans waren aus Süddeutschland, wieder andere sogar aus Italien angereist. Letztere waren der Band offensichtlich schon wohlbekannt und die ganze Show hindurch fand ein Schlagabtausch auf Deutsch, Englisch und Italienisch statt. Somit war die Interaktion zwischen Band und Publikum immer gewährleistet – Sänger Chris übersetzte seine allgemeinen Ansagen zeitweise extra auf Englisch; oder bilingual wie er es ausdrückte (und was übrigens nichts Anstössiges sei, wie er augenzwinkernd betonte, Anm. d. Verf.).

Zwischendurch gab es noch Sprach-Crashkurse auf Italienisch und einen Auffrischungskurs in Schweizerdeutsch – woraufhin die Band jeglichen Applaus mit sehr schweizerdeutsch ausgesprochenem «Dancke» quittierten.
 Dass Lord of the Lost alles andere als bierernst sind und trotz düstere Musik das Lachen nicht verlernt haben, sollte mittlerweile den meisten aufgegangen sein. So wurde das Publikum beim Song Prologue erst aufgefordert, doch bitte lauter zu klatschen…und anschliessend völlig aus dem Takt zu klatschen. Betont wurde auch, dass es am Merchandising-Stand T-Shirts und gebrauchte Unterhosen zu kaufen gebe – bleibt die Frage, wie gut ihr Merchandise-Geschäft wirklich läuft. Oder ob es so erst recht läuft?

Als Abschiedskracher diente die erste Singleauskopplung von Antagony: Sex on Legs. Chris «The Lord» schnappte sich erstmal die Kamera von jemandem aus der ersten Reihe und filmte seinerseits drauflos, der Rest des Songs lief unter dem Motto «der Name ist Programm». Tanzeinlagen mit dem Mikrofonständer und Entledigen von den Resten des T-Shirts gehören bei Lord of the Lost zu genau diesem Programm und so kochte die Stimmung im Werk21 noch einmal richtig über.

Mit dem Outro und frenetischem Applaus breitete Chris die Arme aus und winkte seine Bandmitglieder zu sich nach vorn mit den Worten: Herzlich willkommen: meine besten Freunde.

So lässt sich auf einen kurzweiligen, amüsanten Konzertabend im kleinen, familiären Rahmen zurückblicken. Lord of the Lost haben eindeutig bewiesen, dass sie auch eine Headliner-Tour absolut rocken – so bleibt zu hoffen, dass sie mit dem nächsten Album wieder einen Zwischenstop in der Schweiz machen. Dieses wird schon nächsten Herbst erscheinen. Schliesslich sind sie ja absolute Workaholics.

 

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