Erstaunlich, was man mit einem Smartphone hinkriegt. Zumindest verdanken Michel Wild und Robert Schneider einem iPhone X gleich drei Film Festival-Awards.
Man glaubt es kaum, aber der Berufsgrafiker Michel Wild und sein Arbeitskollege Robert Schneider haben auf einem herkömmlichen iPhone X einen Kurzfilm aufgenommen, der durch seine Detail-Verliebtheit und weiteren Finessen besticht, sodass er für Laien kaum noch von einem Film ab Kamera zu unterscheiden ist; zumal heutzutage im Kino ohnehin nur noch digital vorgeführt wird.
Hunger-Baby
Vordergründig ist der Inhalt des Short Movies Hunger schnell zusammengefasst: Ein japanischer Mann füttert in seinem spartanischen Zuhause zwei Wochen lang eine Fremde, die ihn mit ihrem bezaubernden Lächeln belohnt – und dann wieder verschwindet.
[su_pullquote left_or_right=“right“]«Japan, wie wir es sehen.»[/su_pullquote]
Selbstverständlich verbirgt sich aber hinter diesem Projekt noch einiges mehr. Mit der Idee, einerseits möglichst alles selbst zu produzieren und andererseits möglichst alles digital zu verarbeiten wuchs Hunger zu einem Zwei-Jahres-Baby heran, das am 18. Januar 2019 im (eigens dafür privat gemieteten) Kino Houdini Premiere feiern durfte.
Japanesk
Obschon Hunger eine durch und durch schweizerische Produktion ist – selbst das Sushi-Schneid-Geräusch stammt von einer schweizerischen Apfelwähe – ist der Kurzfilm eine gelungene Symbiose zwischen den beiden Affinitäten der Macher zu Film und Japan.
Hunger vermittelt mit viel Feingefühl und digital-handwerklichem Geschick ein authentisches Bild des Japans, wie es Wild in seinen Ferien und Schneider bei seinen Schwiegereltern (seine Frau ist Japanerin) erlebten und lieben.
Funfacts
[su_pullquote left_or_right=“right“]«Die Idee kam mir in Griechenland auf einem Liegestuhl am Pool – und wurde von meiner Tochter abgesegnet.»[/su_pullquote]
Zu den drei Hauptmerkmalen des Filmes gehört laut Wild nebst der Handy- und der Kurzfilm-Identität auch, dass die Handlung zwar in Osaka spielt, aber in einem Kinderzimmer in Oerlikon Zürich aufgenommen wurde. Ausserdem sind alle Musikeinlagen und Foleys (Geräusche, die nachträglich eingefügt werden) nicht nur von den Filmmädchen-für-Alles eingespielt, sondern auch aufgenommen worden. So musste beispielsweise Wilds Frau unzählige Male in eine Traube beissen, bis das richtige Schmatz-Geräusch für die Sushis gefunden war, die Schneiders Frau eigens hergestellt hatte.
Und last but not least stammen selbst die Manga-Schnipsel, die zunächst als Storyboard und dann Darstelleranleitung für den Zwei-Tages-Dreh dienten und zuletzt auch im Film selbst eine Rolle spielen, aus eigener Feder. Mehr Eigenproduktion geht kaum.
Hunger macht Hunger
Im Grunde lässt sich mehr über den ausgeklügelten Kurzfilm erzählen, als dass er lang ist. Und das Potential, das in ihm steckt, haben offensichtlich auch diverse Filmfestival-Jurys wie das der Independent Shorts Awards, das des Indie Short Fests oder das Berlin Flash Festival erkannt und ausgezeichnet.
Der Film hat nur ein einziges Manko: Er ist vorerst lediglich an weiteren Filmfestivals wie am Golden State Festival 2019 oder am Lift Off Sessions 2019 zu sehen. So müssen wir wohl dem Hunger-Protagonisten gleichtun und geduldig warten, bis wir den Filmgenuss erneut erleben und teilen können.