«Unser Drummer hetzte die Sängerinnen gegen uns auf»

Andrew Levy von der englischen Acid-Jazz-Band Brand New Heavies packt im Interview aus. Erstmals spricht der Bassist öffentlich über den Streit und die Trennung von Drummer Jan Kincaid – und erzählt, weshalb sich das gut aufs neue Album ausgewirkt hat.

«Unser Drummer hetzte die Sängerinnen gegen uns auf»

Andrew, auf euerm neuen Album TBNH singen etliche unterschiedliche Sängerinnen und Sänger die Hauptstimme. Was bewog euch zu diesem Konzept?

Andrew Levy: Mit vielen der Sängerinnen haben wir in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet. N’Dea Davenport war gerade in einem anderen Projekt involviert, daher kam sie nicht für die gesamten Aufnahmen in Frage. Zudem sind wir ohnehin eine wechselhafte Band. Also fanden wir: Lasst uns das zur Tugend machen – so im Sinne einer grossen glücklichen Familie.

Mit Angie Stone, Beverly Knight oder Mark Ronson von Maroon 5 habt ihr zuvor aber nie gearbeitet.

Das stimmt. Sie hatten uns im Vorfeld für eine Zusammenarbeit angefragt. Wir sind diesbezüglich attraktiv, da wir keine feste Stimme in der Band haben und unsere Songs recht adaptierbar auf verschiedene Gesangsformen sind. Wir sagten natürlich zu. Solche Projekte sind immer toll. Mit Beverly Knight wollen wir auch in Zukunft wieder zusammenarbeiten.

Sie hatte dieses grossartige Funk-Soul-Album Music City Soul gemacht.

Genau. Und generell kommt sie vom Disco und Funk her, ein bisschen Big Band – so richtig unser Ding. Absolut toll, was sie macht.

Auf Tour wird euch jetzt Angela Ricci begleiten, die erst seit letztem Jahr für euch singt. Weshalb sie?

Sie singt auch drei Songs auf dem Album. N’Dea kam wegen ihres anderen Projekts nicht infrage. Angela passt gut ins Gefüge, also baten wir sie, uns auf Tour zu begleiten.

Wie geht sie mit all den Songs um, die zuvor andere Sängerinnen interpretiert haben?

Sie liebt die Herausforderung und kennt die Songs. Sie reinterpretiert sie und macht sie sich zu eigen. Natürlich bleibt das Gerüst wie gehabt, das ist nicht verhandelbar – aber Angela holt noch einiges heraus. Sie ist ein bisschen nervös, wenn sie etwas Neues ausprobiert, aber das ist förderlich für die Qualität. Zudem kann man ihre Nervosität verstehen: In N’Deas Fussstapfen zu treten, ist nicht einfach.

Schreibt ihr Songs für männliche Stimmen anders als für weibliche?

Das Thema muss natürlich schon zur Agenda der Sängerin oder des Sängers passen. Ansonsten gehen wir aber nicht unterschiedlich vor. Ich selber habe beim Schreiben von Texten stets eine weibliche Stimme im Kopf. Keine Ahnung, wo das herkommt.

Ich bin nicht sicher, ob unser Songwriting-Ansatz ideal ist.Andrew Levy, Bassist der Brand New Heavies

Vielleicht ein Ding der Gewohnheit, weil ihr immer Frontfrauen habt?

Das ist sicher so. Dazu kommt meine Liebe für die Sängerinnen von James Brown. Das ist jene Musik, der ich schon als Jugendlicher nacheiferte.

Ihr habt als Instrumentaltrio begonnen. Schreibt ihr Songs nach wie vor zunächst nur für die Instrumente?

Ja, das machen wir tatsächlich. Ich bin allerdings nicht sicher, ob dieser Songwriting-Ansatz ideal ist. Jedenfalls müssen wir uns darauf konzentrieren, den Song nicht überzukomponieren. Wir dürfen nicht zu viele Melodien für die Instrumente entwerfen, weil sonst die Stimme kaum noch Platz hat. Meist konstruieren wir das Gerüst einfach mit Keyboard, Bass, Schlagzeug und Gitarre. Teils sogar ohne Keyboard.

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Und wie entstehen dann die Gesangslinien?

Wir hören uns das instrumentale Gerüst an und schauen, ob jemandem eine gute Zeile, ein Thema dazu einfällt. Der Prozess ist sehr unbedarft, fast schon kindlich. Man muss sich öffnen und auf den Zufall hoffen.

Du sagst, der Prozess sei womöglich nicht ideal. Inwiefern denn nicht?

Viele Künstler sagen, man müsse zunächst die Texte schreiben. Nur so könnest du transportieren, was du sagen willst.

Bei euch stehen die Texte aber nicht im Vordergrund.

Wir sind sicher keine politische Band. Irrelevant sind unsere Texte deshalb aber nicht. In erster Linie geht es uns jedoch darum, dass sich die Leute gut fühlen, sich zur Musik bewegen.

Wie komponiert man einen guten Groove?

Für uns ist klar, dass das nur stehend geht. Man tanzt stehend. Wir drehen dann den Sound maximal auf. Die Bässe müssen wummern, die Drums treiben. Ein bisschen wie an unseren Konzerten. Wenn wir den Groove fühlen, dann ist er gut.

Die Trennung von unserem Schlagzeuger war äusserst schmerzhaft.Andrew Levy, Bassist der Brand New Heavies

Hilft euch Publikum beim Komponieren?

Die Frage ist schlau. Es ist tatsächlich so, dass wir ein winziges Publikum schätzen, wenn wir komponieren. Das konstruieren wir aber nicht künstlich.

Wie dann?

Viele unserer Songgerüste entstehen während Soundchecks. Dann sind immer irgendwelche Leute im Raum. Soundtechniker, Helfer, Freunde. Zum einen spüren wir dabei, ob der Groove auch auf sie überspringt. Zum anderen sind wir ehrgeiziger und fokussierter, wenn Leute zuhören, als wenn wir unter uns sind. Also sind auch die Resultate besser.

Wie fühlen sich die neuen Songs auf der Bühne an?

Gut. Wir haben schon einige ausprobiert. Das Publikum liebt sie, auch weil sie momentan überall in den Radios laufen.

Funk ins Radio zu bringen, ist nicht ganz einfach.

Wenn man The Brand New Heavies heisst, dann schon. Wir sind sehr wählerisch mit Songs und schauen genau, was der Markt will und was in unser Konzept passt. Deshalb hat das neue Album auch recht lange gedauert.

Fast fünf Jahre.

Ja, wobei das letzte Album kein Hit war. Aber da hatten wir auch furchtbare Probleme in der Band.

Wegen der Trennung von Schlagzeuger Jan Kincaid?

Genau. Er war seit der Gründung dabei. Die Trennung war äusserst schmerzhaft. Männer sprechen ja nicht gerne über solche Emotionen, aber es war nun mal so. Die Art wie er ging, war grauenvoll.

Brand New Heavies
Simon Bartholomew, Angela Ricci und Andrew Levy (von links) sind heute der Kern der Brand New Heavies. Bild: zvg

Weshalb grauenvoll?

Er verliess die Band ohnehin schon im Schlechten und wollte danach auch noch weiterhin an ihr verdienen. Wir mussten also Rechtsstreite gegen ihn führen. Für mich kam dazu, dass mein Sohn am Tag des Band-Crashs gerade mal zehn Tage alt war. Die Zeit war wirklich hart.

Er pflegte stets geheime Beziehungen zu unseren Sängerinnen.Andrew Levy über Jan Kincaid

Ist die Band mittlerweile darüber hinweggekommen?

Nach meinem Gefühl würde ich sagen: ja. Die Journalisten und Fans finden, das neue Material sei das Beste überhaupt. Offenbar hat uns die Trennung gut getan.

Vielleicht hat sie neue kreative Geister geweckt.

Genau das hat sie. Ironischerweise.

Wie ist denn die Stimmung in der Band heute?

Unwahrscheinlich schön. Alle sind glücklich. Wir können auf Tour wieder miteinander essen, miteinander etwas trinken gehen. Alle zusammen. Das war vorher nicht mehr möglich. Jan separierte sich von uns. Er pflegte geheime Beziehungen zu unseren Sängerinnen, setzte sich mit ihnen ab und hetzte sie dann gegen uns auf. Das sorgte für extreme Spannung und für permanente Spaltungen in der Band. Auf Tour war das höchst unangenehm. Da sitzt man derart aufeinander.

Weshalb denkst du, dass er das tat?

Ich wüsste es auch gerne. Ich vermute, dass Eifersucht mitspielte. Simon und ich stehen eher an der Front, wir haben auch das Heu auf derselben Bühne, haben Spass miteinander. Vielleicht tat er sich damit schwer. Ich weiss es nicht. Ich frage mich auch, weshalb es so lange dauerte, bis ich überhaupt realisierte, was da tagtäglich geschah. Über viele Jahre hinweg sah ich das einfach als normal an. Ich weiss nicht, weshalb ich dir das erzähle. Ich habe noch nie öffentlich darüber gesprochen.

Ihr seid bald 35 Jahre zusammen. Da können sich vermutlich viele Unsitten unerkannt einschleichen, oder?

Ich fürchte, das war in unserem tatsächlich Fall so. Ein bisschen wie in einer Ehe.

Und dann hilft nur die Trennung?

Uns hat sie sicher gut getan. Ich vermisse Jan als Künstler. Er ist ein Genie am Schlagzeug. Aber menschlich haben wir durch die Trennung innerhalb der Band viel gewonnen.

Bald kommt ihr nach Zürich. Wie gross ist die Band derzeit?

Wir sind acht Personen – immerhin. In unseren besten Jahren waren es bis zu zehn Personen, mit dreiköpfiger Bläser-Sektion. Aber auch jetzt wird es eine grosse, fette, laute Show.