Bild: Nalle Colt / Twitter

«Unser neuer Sound ist mir zu kommerziell»

Nalle Colt von Vintage Trouble im Interview

Die amerikanische Old-School-R’n’B-Band Vintage Trouble hat sich auf ihrer jüngsten EP dem Mainstream-Pop verschrieben. Das gefällt Gitarrist und Gründungsmitglied Nalle Colt eigentlich überhaupt nicht, sagt er im Interview.

Seid ihr schon auf Tour, Nalle?

Nalle Colt: Eben nicht, ich halte es bald nicht mehr aus. Wir sind eine Live-Band. Jetzt hocken wir seit vier Monaten im Studio und zuhause. Ich muss endlich wieder spielen können.

Gibts ein neues Album?

Ja, genau, eine Art Fortsetzung der jüngsten EP Chapter II.

Mit der EP habt ihr Euch von eurem ursprünglichen Sound ja ziemlich wegbewegt, voll auf Mainstream-Pop gesetzt. Weshalb?

Ach, das ist eine sehr gute Frage. Der Grund: Unser Sänger Ty Taylor hat sich in der Band als Haupt-Songwriter etabliert und der wollte sich mehr in Richtung Mainstream-Pop bewegen. Das hat natürlich eine gewisse Berechtigung. Wir wollen uns als Band weiterentwickeln, neue Wege finden. Und faktisch wollten wir auch ein bisschen kommerzieller werden. Der neue Sound bedeutete denn auch eine neue Art des Aufnehmens für uns.

Ich wollte nicht in diese Richtung gehen.

Inwiefern?

Bislang spielten wir die Songs live im Studio ein, als gesamte Band auf einen Schlag. Jetzt hat jeder seine eigenen Tonspuren aufgenommen. So geht aber auch das Band-Gefühl verloren.

Bild: Jay Gilbert

Bereust du persönlich den Schritt Richtung Kommerz?

Ich selber bin voll der Blues- und Rock’n’Roll-Typ. Ich wollte nicht in diese Richtung gehen. Für mich ist der neue Sound zu kommerziell.

Weshalb hast du nicht interveniert?

Wir haben jetzt ein paar Alben im Old-School-Sound gemacht. Mit diesen Songs sind wir bei vielen Radiostationen vorbeigegangen, bekamen aber ständig Absagen. Ich verstehe das sogar: Unser Sound ist halt nicht gerade allzu populär im Moment. Für uns war das aber etwas frustrierend. Ein Teil der Band wollte deshalb einen neuen Weg finden, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Und ich liess das geschehen. Wir sind ein Kollektiv, man muss auch mal seine eigene Meinung zurückstellen. Aber im Nachhinein denke ich, dass ich mich hätte wehren sollen.

Umgekehrt muss man manchmal Dinge probieren, um zu wissen, dass sie nicht funktionieren.

Ich habe viel darüber nachgedacht, während wir diese Songs aufnahmen. Wir haben eine sehr treue Fanbase aufgebaut, die eine wahnsinnige Dynamik hat – die Fans nennen sich Troublemakers. Wenn man sich so sehr vom Bisherigen abwendet, wie wir das gerade tun, dann ist das schon recht gefährlich. Wir können es uns nicht leisten, unsere Fans zu brüskieren. Wir leben von ihnen.

Ich habe es verpasst, rechtzeitig einzugreifen.

Aber das Projekt liess sich nicht mehr stoppen?

Doch, es hätte sich schon stoppen lassen. Wir waren halt im Studio, hatten diesen jungen Produzenten und ich hoffte, dass er eine Kompromisslösung zwischen Pop und unserem alten Sound finden würde – am liebsten mit einem Schwerpunkt auf dem alten Sound. Aber die Sache kippte total in den Kommerz. Ich habe es wirklich verpasst, rechtzeitig einzugreifen.

Wie klingt das neue Material denn, wenn ihr es live spielt?

Dann können wir den Songs wirklich unseren originären Soundstempel aufsetzen. Genau deshalb bin ich ja so erpicht darauf, wieder spielen zu können.

Werdet ihr Euch vom neuen Sound wieder verabschieden, wenn die neue Platte raus ist?

Ich hoffe, dass die nächsten Aufnahmen eine Rückkehr zu unseren alten Werten sein werden.

Wie kamt Ihr als relativ junge Musiker überhaupt zu diesem Sound der 1950er- und 1960er-Jahren?

Das war richtig cool. Wir trafen uns und sprachen über Musik. Und wir stellten fest, dass uns alle die Musik jener Zeit verband. Otis Redding, Ike und Tina Turner, Little Richard, Chuck Berry, das war der wahre Shit. Als wir zu spielen begannen, spürten wir uns von Anfang an, es war unglaublich, etwas ganz Natürliches. Diese Musik ist auch einfach wahnsinnig kraftvoll und zeitlos. Findest du nicht?

Greta van Fleet gaben mir irgendwie Hoffnung.

Doch, ich bin da ganz bei dir.

Eben. Die Songs wurden damals auch live aufgenommen. Da war nicht alles perfekt, da gabs Makel. Heute kannst du das scheinbar nicht mehr bringen. Die Kinder wachsen mit klanglicher Perfektion auf. Alles ist feingeschliffen via Computer. Magst du unseren alten oder unseren neuen Sound mehr?

Eindeutig den alten.

Danke, da bin ich froh. Aber eben: Die Jungen mögen das nicht unbedingt.

Das sehe ich ein bisschen anders. Die spüren doch auch, wenn Seele in der Musik steckt, diese Leidenschaft. Die wird ja häufig durch die digitale Bearbeitung weggeputzt.

Das sehe ich auch so. Ich habe mir die Grammy-Verleihung angeschaut. Rock’n’Roll gabs da praktisch gar nicht mehr. Aber dann kamen diese Kids, Greta van Fleet heisst die Band, die den Led-Zeppelin-Sound kopierten und dafür eine Auszeichnung einheimsten. Und das gab mir irgendwie Hoffnung. Moderne Musik funktioniert zyklisch.

Heisst das, ihr müsst einfach lange genug warten, dann hört euch auch das jüngere Publikum?

Im Grunde schon. Aber weisst du, wir mögen vielleicht nicht supererfolgreich sein, aber wir sind vier Musiker, die von der Musik leben und die Welt erkunden können. Erfolglos sind wir ja wirklich nicht. Und der ganz grosse Erfolg geht doch meist mit billigen Kompromissen einher. Du musst dazu jeder Modeströmung nachlaufen. Ich will das nicht.

Derzeit könnte man fast sagen: Ist etwas erfolgreich, so ist es wohl qualitativ nicht sonderlich gut.

Nein, das würde ich so pauschal auf keinen Fall unterschreiben. Aber ich sehe, was du meinst. Ich habe auch keinen Bock auf die Pop-Welt. Viel lieber bewege ich mich in einer Welt, in der ich aufrichtig meine Musik spielen kann. Wir von Vintage Trouble sind nicht die Rolling Stones. Aber wir lieben Musik, und wir verdienen unseren Lebensunterhalt damit. Das ist wunderschön.

Wird man bei euern Live-Shows den Unterschied zwischen den alten und den neuen Songs hören?

Wir spielen die neuen Sachen sehr häufig. Vieles klingt, wenn wir es live interpretieren, total anders als ab Konserve, wenn wir es live interpretieren. In wenigen Wochen erscheint eine neue EP. Bei der letzten haben wir als eine Art B-Seite sämtliche Songs im akustischen Kleid hinzugegeben. Dieses Mal werden wir als B-Seite Live-Versionen der Songs veröffentlichen. Da wirst du sehen, wie markant sich das unterscheidet. Wir sind eine Live-Band. Das kann eine verunglückte Studio-Session nicht kaputt machen. Warst du schon mal bei einem unserer Konzerte?

Nein, aber dieses Mal komme ich.

Sehr cool. Hast du einen Lieblingssong?

Another Man’s Words. Spielt ihr den?

Den spielen wir praktisch immer. Er ist uralt, hat sich aber im Repertoire etabliert.

Hast du einen Lieblingssong?

Ich würde auch Another Man’s Words wählen. Er hat unglaublich viel Seele. Und diesen Schmerz. Einige von uns gingen damals durch eine schwierige Trennungszeit. Der Song bezieht sich darauf. Er bedeutet uns deshalb sehr viel, ist extrem persönlich. Ich denke, das hört man.

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Konzert

Vintage Trouble spielem am Donnerstag, 14. März 2019 um 20 Uhr im Kaufleuten Zürich. Weitere Infos zum Konzert findest du hier.

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