Postmodern Jukebox haben sich mit Vintage-Covers bekannter Songs einen Namen gemacht. Ihr YouTube-Kanal generiert wöchentlich Millionen von Klicks. Live sind sie eine Wundertüte mit etlichen Sängerinnen und Sängern. Der Erfinder Scott Bradlee taucht selber aber kaum auf der Bühne auf. Jukebox-Bandleader Adam Kubota erklärt im Interview, weshalb.
Die Europatour von Postmodern Jukebox läuft. Wo seid ihr gerade?
Adam Kubota: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich muss mich noch informieren, bevor’s heute Abend losgeht.
Und was für Sänger sind am Start?
Wir haben etwa Olivia Kuper Harris (Sie hat etwa David Bowies Life on Mars und Katy Perrys Last Friday Night interpretiert, Anm. d. Red) und LaVance Colley (Beyoncés Halo und Ariana Grandes Focus, Anm. d. Red) dabei. Dazu noch einige andere, aber ich verrate nicht alle.
Letztes Jahr habt ihr eine Zürcherin auf die Bühne geholt.
Stimmt, das war Annie Goodchild. Die kommt eigentlich aus den USA, lebt aber seit längerer Zeit in Zürich. Solche Gelegenheiten sind natürlich toll. Sie hat unter anderem Taylor Swifts Style gesungen.
Kommt das oft vor, dass ihr an Auftrittsorten spontan noch lokale Sänger in die Shows einbaut?
Schon immer mal wieder, vor allem in den grösseren amerikanischen Städten. Wir haben auch den Anspruch, möglichst spontan zu sein, um solche Dinge zu ermöglichen. Das macht das Touren spannender.
Können solche superspontanen Ideen die Mitmusiker nicht auch nervös machen?
Ich denke, das hängt von mir als Bandleader ab. Bringe ich die Zuversicht und den Spass an der Spontanität mit, so steckt das die anderen an. Abgesehen davon ist es ohnehin unterhaltsamer, wenn nicht jeder Abend gleich aufgebaut ist. Bands, die jeden Abend dasselbe spielen, müssen doch nach ein paar Shows ein Bore-Out auf der Bühne haben. Wir sind eine Live-Performance-Group. Das enthält das Wort «live». Genau das pflegen wir.
Müssen bei euch alle alles singen können?
Nicht zwingend. Jeder hat ein paar «eigene» Songs am Start, die er schon für die Videos aufnahm. Es macht keinen Sinn, diese umzuverteilen. Parallel dazu gibt es Songs, deren Originalinterpret nicht mit uns auf Tour ist. Da muss dann jemand anders ran. Aber auch das macht die Shows spannend. Jeder Sänger geht mit einem Song wieder anders um, findet andere Wege, ihn zu interpretieren. Das ist äusserst faszinierend.
Es gibt auch Songs, die ihr zwingend bringen müsst. Creep von Radiohead etwa. Wer macht den?
Creep ist einer der Songs, die alle singen können müssen. Wir haben aber auch schon ganz verschiedene Versionen davon aufgenommen – jene mit Haley Reinhart hatte einfach die meisten Klicks. Dabei war das nicht einmal die erste Version des Songs, die wir aufs Netz gestellt hatten.
Wie wählt ihr die Songs eigentlich aus, die ihr reinterpretiert?
Das macht Scott Bradlee. Er hat ein wahnsinniges Gespür dafür entwickelt, was sich eignet, und wie man es umsetzen muss.
Du redest da nicht mit?
Ich bin Bassist. Scott erarbeitet ein Arrangement und ich gehe dann nochmals über die Basslinien und verändere dort gewisse Dinge. Manchmal fragt er mich auch, ob ich grad einen neuen Songwunsch hätte.
Etwas platt gesprochen: Ist es einfacher, einen schlechten Song neu zu interpretieren, damit er gut wird oder einen guten so, dass er gut bleibt?
Es geht nicht um gute oder schlechte Songs, sondern um den Stil. Wenn ein Song schon in irgendeinem Vintage-Stil daherkommt, lässt er sich fast nicht umbauen. Daher ist es einfacher, moderne Sachen zu nehmen. Ein Beispiel: Bruno Mars macht wahnsinnig tolle Songs, die wir eigentlich gern reinterpretieren würden. Aber sie sind oftmals schon sehr nahe am Resultat, das wir selber ersinnen würden. Unser Konzept funktioniert über einen möglichst grossen Kontrast zwischen Original und unserer Interpretation davon. Bei Bruno Mars etwa haben wir kaum Spielraum.
Wie entscheidet ihr für die Clips, wer was singen darf?
Das ist ein laufender Prozess. Jemand singt einen Song und hört, was wir als nächstes aufnehmen wollen. Er sagt dann, er kenne jemanden, der dafür passen würde – und so geht’s weiter und weiter. Über Freundschaften kommen die Leute zusammen. Zudem haben wir ja unser Star-Search-Projekt.
Was ist das?
Wir nehmen den Track eines Songs auf, aber ohne Stimmen und laden das auf einer Plattform hoch, auf der es andere Leute herunterladen können, um Gesangslinien darüber zu legen. Ihre Versionen können sie dann auf den sozialen Medien publizieren und wir schauen, ob wir davon Leute ins Projekt einbinden können.
Nutzen das die Sänger als Sprungbrett?
Die einen versuchen es durchaus. Das ist es ja letztlich auch: Ein Song mit deinem Namen drunter geht viral, generiert hunderttausende von Klicks – natürlich ist das ein Sprungbrett. Haley Reinhard, deren Creep-Version sich wie eine Supernova verbreitete, hat wirklich etwas draus gemacht.
Verliert Ihr dadurch nicht ständig super Leute, weil Ihr sie gross gemacht habt?
Verlieren ist etwas hart gesagt. Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Sänger es irgendwann interessanter finden, einen ganzen Abend allein auf der Bühne zu bestreiten, statt mit Postmodern Jukebox bloss drei oder vier Songs zu singen. Wir schliessen die Türen auch nicht, wenn jemand wieder zurückkommen will. Und das geschieht ziemlich oft.
Wie erklärst du dir das?
Ich glaube, eine Tour mit uns ist einfach ein unglaublich tolles Erlebnis. Die Gruppendynamik ist witzig, die Shows sind unterhaltsam. Wir haben wirklich tolle Menschen am Start, da stimmt auch die Chemie. Und wenn man das mal gehabt hat, will man es wieder. Mir geht es jedenfalls so.
Ihr habt ja mehrere Formationen, die parallel auftreten. Ist euer Erfinder Scott Bradlee selber jeweils in der anderen Formation als du?
Nein, er ist in keiner Formation fix dabei. Er ist Gründer, Besitzer und kreativer Kopf hinter Postmodern Jukebox. Er schmeisst den Laden von New York aus.
Ihr tourt nie gemeinsam?
Sag niemals nie. Manchmal taucht er spontan bei Shows auf, wenn er Zeit und Lust hat. Es ist also nicht so, als hielte er sich komplett von der Bühne fern.
Ist dir das egal, wenn der Boss kaum je dabei ist?
Der Boss bin sozusagen ich. Ich bin der Touring-Captain.
Aber er gibt dir vor, wie die Songs gespielt werden müssen?
Für die Videos kreiert er die Arrangements. Das haben wir in Noten auf Papier notiert. Das macht uns auch spontan.
Weil jeder Musiker Noten lesen kann …
Jein. Das ist schon die Bedingung. Aber wir arbeiten mit Jazz-Notationen. Da gibts fest ausgeschriebene Teile, dazu aber auch Improvisationsteile, über denen lediglich die Akkorde stehen. Man muss nicht nur Noten lesen können.
Ihr spielt bald in Zürich. Die Stadt ist für Postmodern Jukebox etwas Besonderes, oder?
Ja, absolut. Wir haben eine ganze Reihe unserer Videos in Zürich gedreht. Einige davon sind ganz grosse Hits geworden – nicht zuletzt die berühmte Version von Creep mit Haley Reinhart. Zürich fühlt sich für uns ein bisschen wie ein Heimspiel an.