«We must’ve sounded like Slayer to them»

Wir haben Halestorm nicht nur einmal auf ihrer letzten Tour getroffen, sondern gleich zweimal. Nach dem Video-Interview in englischer Sprache möchten wir euch noch ein paar Antworten dieser sehr nahbaren Band auf Deutsch liefern.

Stieg für uns hoch hinaus: Forograf Olli Niggli
Stieg für uns hoch hinaus: Fotograf Olli Niggli

Am 30. März standen mir Lzzy Hale und Joe Hottinger Rede und Antwort vor ihrem Auftritt im Kofmehl. Schon bevor wir überhaupt zu sprechen begannen fiel mir auf, wie locker die beiden waren. Ungeschminkt, dafür bestens gelaunt schüttelte uns erst Lzzy und dann Joe die Hand. Nach dem üblichen «How do you do?» sprach ich sie aufs neue Album Into The Wild Life an, das am 10. April erschienen ist.

«Es kommt schon nächste Woche raus?», meinte Joe – wohl erstaunt, dass nach der langen Wartezeit die Veröffentlichung in greifbarer Nähe lag. Dass die Scheibe in Europa noch vor den Staaten in den Läden ist, liegt an den verschiedenen Release-Fahrplänen der unterschiedlichen Ländern. «Aber sie haben das verbessert, ab dem Sommer sollten die Alben dann überall gleichzeitig rauskommen», so Joe. «Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre das Album schon längst draussen und jeder könnte es in den Händen halten», schmunzelte Lzzy.

Gut gelaunt: Lzzy und Joe von Halestorm (Foto: Olli Niggli)
Gut gelaunt: Lzzy und Joe von Halestorm (Foto: Olli Niggli)

Obwohl das Publikum bisher erst ein paar wenige Songs auf Youtube – Halestorm teilt gerne sowohl Teaser- sowie offizielle Videos auf ihrer Facebook-Seite – hören konnte, war die Resonanz an den Konzerten bislang sehr gut. «Den Leuten scheinen die neuen Songs zu gefallen.»

Offensichtlich mögen die beiden ihr neues «Baby» – kaum eine Band würde ihr eigenes Album schlecht reden. «Es ist natürlich etwas anderes für uns, aber ich glaube, das Album wird den Fans gefallen», meinte Joe und Lzzy doppelte nach: «Es ist etwas ganz anderes, als was wir bis jetzt gemacht haben. Ich habe in letzter Zeit viel auf Social Media Plattformen mit Fans gesprochen und wurde immer wieder gefragt, was denn mein Lieblingssong sei. Aber für mich ist es so: Wir haben ein Album aufgenommen und jeder Song ist ein Teil einer grösseren Idee. Für mich ist es beinahe so, als ob das ganze Album ein einziger Song ist.»

Dear Daughter: Lzzy Hale (Foto: Olli Niggli)
Dear Daughter: Lzzy Hale (Foto: Olli Niggli)

Ich wollte wissen, ob der Song Dear Daughter auf dieser Tour die Piano-Ballade Break In ersetzen würde. «Nicht wirklich, wir tauschen sowieso jeden Abend die Setliste aus», antwortete Lzzy und Joe fügte hinzu: «Den Song haben wir noch gar nicht live gespielt. Die meisten haben wir zuletzt gespielt als wir das Album aufnahmen. Wir haben nur noch ein paar Auftritte auf dieser Tour und wenn wir wieder in den Staaten sind werden wir die erst mal wieder üben.» Lzzy witzelte: «Wir machen ein ganzes Set nur aus Piano-Balladen.», worauf ich einwarf, dass dies wohl ein kurzes Set geben würde. «Obwohl man kann praktisch jeden Song nur mit Piano spielen…» «Ein guter Song kann nur mit Akustikgitarre oder Piano gespielt werden, ein schlechter nicht.», fügte Joe an. Meiner Meinung nach ist Halestorm eine der Rockbands, bei der eine Akustikshow tatsächlich funktionieren und nicht aufgesetzt wirken würde.

Um gleich beim Thema zu bleiben, fragte ich nach der Inspiration zu Dear Daughter, worauf Lzzy antwortete: «Das Ganze hat eigentlich mit einem Gespräch mit meiner Mutter angefangen. Sie hat mich immer unterstützt bei allem, was ich getan habe und ich habe mich gefragt, wie ich wohl handeln würde, falls und wenn ich ein Kind hätte. Die meisten Eltern sind ja eher vom ‹Lern du erst mal einen vernünftigen Job›-Schlag, besonders wenn ihre Kinder sich in den Kopf gesetzt haben, eine Rockband zu gründen. Ich habe dann auch auf Social Media viel mit Jugendlichen gesprochen, was für Erfahrungen sie gemacht haben. Viele hatten da weniger Glück und wurden nicht wirklich beim Verfolgen ihrer Träume unterstützt. Der Song ist meine Art, diese Unterstützung, die ich erfahren habe, weiterzugeben.»

Das Lied ist also mehr aus der Sicht ihrer Mutter geschrieben und Lzzy ist nicht schwanger. «Wir haben uns schon gedacht, dass es viele Fragen gibt im Stil von ‹Lzzy, hast du uns was zu sagen..?› geben wird, aber nein, da gibt’s nichts zu berichten», meinte Lzzy verschmitzt.

«Sowohl die langsamen wie auch die schnellen Nummern sind Teil von uns.» (Foto: Olli Niggli)
«Sowohl die langsamen wie auch die schnellen Nummern sind Teil von uns.» (Foto: Olli Niggli)

Auf allen Halestorm-Alben gibt es sowohl langsame Balladen als auch schnelle Rocknummern. Natürlich wollte ich wissen, welche sie auf der Bühne lieber spielen. «Das kommt darauf an,», so Lzzy, «es gibt verschiedene Stimmungsmomente während einem Konzert, darum passen beide gut ins Set.» Joe ergänzte: «Für mich ist es das Grösste, diese Momente zu ermöglichen und darauf einzugehen, zu sehen, wie die Leute übernehmen und den Refrain mitsingen.» «Und sowohl die Balladen wie auch die Rocksongs sind gleichermassen Teil von dem, was wir sind.»

«Ihr seit die meiste Zeit irgendwo auf Tour.Wann und wo findet ihr eigentlich Zeit, neue Lieder zu schreiben?» «Wir machen das ähnlich wie du mit deinen Voice-Memos. Wenn wir gerade eine Inspiration und etwas Zeit finden, nehmen wir es auf und spielen es dann später den anderen vor. Weisst du, du schaust einfach, dass es klappt. Dieses Leben ist mittlerweile viel normaler für uns.»

«Wir mussten uns wie Slayer angehört haben» Halestorm über die letzte Tour. (Foto: Olli Niggli)
«Wir mussten uns wie Slayer angehört haben» Halestorm über die letzte Tour. (Foto: Olli Niggli)

Letzten Winter waren Halestorm als Supportact für eine Country-Tour gebucht worden. Nicht unbedingt ihr Stammpublikum. Da drängte sich die Frage auf, wie denn diese neue Klientel ihre Musik aufgenommen hatte. Joe strahlte: «Das war ein Spass. Es war, als hätten wir wieder ganz von Vorne begonnen. Wir starteten die Show und niemand wusste, wer wir waren. Für mussten wir wie Slayer geklungen haben. Aber nach ein paar Songs haben wir die Leute dann gewonnen.» Lzzy schmunzelte und man sah ihr an, dass sie wirklich Spass hatten auf der Tour. «Es brauchte vielleicht drei Songs… Zuerst waren alle so ‹Ja, ich weiss nicht so wirklich…›, aber plötzlich waren sie dann so ‹Yeah!›…» «Wir haben da so ein paar Asse im Ärmel um das Publikum anzuheizen…» Lzzy: «Im Endeffekt ist es doch so: Egal ob du Country, Rap, Pop oder sonst was magst, jeder will abrocken und eine gute Zeit haben.» «Aber ich denke nicht, dass ihr ein Moshpit gesehen habt auf dieser Tour.» Joe: «Nein, das nicht, aber da war ein einzelner Crowdsurfer in Nashville.»

Joe hatte sich zu Beginn dieser Tour eine Gitarre im Käse-Design gekauft und mich nahm Wunder, ob er diese am Abend auf der Bühne rausnehmen würde, da er ja jetzt im perfekten Land dafür sei. «Nein, die habe ich mittlerweile meinen Eltern geschenkt.», lachte er.

«Was ist eigentlich der Hauptunterschied zwischen Touren in Europa und Touren in den Staaten?» «Hier gibt es diese Hingabe für Rockshows, die Leute gehen mehr ab. Es braucht nicht viel und das Publikum startet zu klatschen und tanzen. Und sie machen das von sich aus, ohne dass wir sie dazu auffordern müssen. In den Staaten brauchen sie dazu mehr Anweisungen wie ‹Tut das, macht dieses› und so weiter. Es gibt ein paar Städte in den USA, die in dieser Beziehung europäischer sind.» Für Lzzy war es mehr ein kultureller Unterschied: «Die Leute hier sehen Rock’n’Roll noch mehr als Lifestyle. Aber die USA sind so riesig, jeder Staat ist wie ein eigenes Land, deshalb kommt es darauf an, wo du gerade spielst. Aber im Grossen und Ganzen ist es so, wie Joe gesagt hat.»

Solche Worte vor einem Konzert in der Schweiz…

In Europa ist Rock'n'Roll noch Lifestyle. (Foto: Olli Niggli)
In Europa ist Rock’n’Roll noch Lifestyle. (Foto: Olli Niggli)

«Habt ihr eigentlich auch mal Zeit, die Städte, in denen ihr spielt etwas anzusehen?» «Manchmal, wenn wir mal einen Tag Pause haben und nicht gleich meilenweit weiterfahren müssen und wir nicht zu viele Pressetermine haben, dann schleichen wir uns gerne raus und schauen uns die Gegend an. In Berlin hatten wir mittlerweile schon drei oder vier Tage frei und haben schon einiges gesehen.» «Wir versuchen es auf jeden Fall», meinte Lzzy.

Um das Interview aufzulockern, hatte ich das Thema auf die spassige Seite des Tourlebens gewechselt: «Ihr seid so oft auf Tour. Da liegt es auf der Hand, dass euch schon ein paar lustige Sachen passiert sind. Wollt ihr ein paar davon mit uns teilen?» Lzzy lachte: «Ich habe das Gefühl, unser ganzes Leben ist eine einzige lustige Geschichte. Aber jedes Mal, wenn diese Frage aufkommt, fällt uns zunächst nichts ein. Wir reden auf Tour selber immer wieder über irgendwelche Sachen, die uns passiert sind, aber bei Interviews müssen wir immer wieder erst nachdenken. Aber da war doch was mit Arejay und Josh, als sie in einem Aufzug feststeckten.» «Oh ja, das war göttlich. Wir spielten eine Show in Washington und die beiden hatten ein paar Drinks. Sie blödelten im Lift herum und ich denke, die beiden sprangen gleichzeitig in die Höhe und bei der Landung blockierte der Fahrstuhl. Sie sassen dann für rund ne Stunde fest und die Feuerwehr musste kommen um die beiden zu befreien.» «Und wir waren alle im Bus und warteten auf die beiden, da wir weiterreisen mussten. Plötzlich kam die Feuerwehr wir dachten alle nur: ‹Was ist da passiert?›» Ich spottete: «Wenigstens war es nach der Show und nicht davor.» Joe in bester Ansagerstimme: «Die Show kann noch nicht starten, sie sind noch im Fahrstuhl.»

Lzzy fand, dass es ein paar Situationen vor einer Show gab, die üblicherweise Arejay involvierten. «Einmal schaffte er es doch tatsächlich, sich in der Garderobe einzuschliessen. Wir mussten jemanden holen, der die Türe aufgebrochen hat, um ihn da rauszukriegen, denn wir hatten in knapp zwei Minuten auf der Bühne zu sein. Trouble seems to find us.»

«Trouble seems to find us.» (Foto: Olli Niggli)
«Trouble seems to find us.» (Foto: Olli Niggli)

«Mich verwundert ja, dass Arejay nicht häufiger von seinem Schlagzeug fällt, da er es zwischenzeitlich wie einen Kletterspielplatz benutzt.» «Das stimmt!» Joe: «Er hatte mal ein übles Hangover in Paris vor ein paar Jahren. Er sprang vom Hocker und legte einen Absturz hin. Das war zum Schreien.» «Das Publikum rastete aus und sagte zu meinem Bruder: ‹Arejay, du solltest öfters hinfallen. Das gefällt den Leuten besser.›»

«Was das schlimmste Erlebnis, dass ihr je auf einer Tour hattet?», wollte ich wissen, da ich das von praktisch jeder Band gerne höre und vergleiche, was hier zu für Antworten kommen. «Oh, davon hatten wir gar nicht so viele.», meinte Lzzy, «Auch wenn du in einem 7-Plätzer Bus rumkurvst oder so einem Milchwagen – das war unsere erste Erfahrung in Europa – oder war es ein Postwagen? Ich hab’s vergessen. Aber auch wenn du stundenlang in so einem Vehikel herumfährst, aufs Klo musst, aber keines vorhanden ist… auch diese Dinge sind doch Teil des Rock’n’Roll-Folklore. Wir waren schon aufgeregt, solche Sachen überhaupt erlebt zu haben. Deswegen gibt es eigentlich nicht viel, dass schlimm für uns ist.» «Das Allerschlimmste, das passieren kann, ist, wenn du richtig krank wirst. Weisst du, irgendwie musst du ja weiter machen, willst die Leute nicht enttäuschen. Ich mag mich daran erinnern, dass es mir mal echt mies ging in ’09 und ich für knapp zwei Wochen total neben den Schuhen stand. Ich war manchmal kurz davor, während der Show umzukippen. Das ist echt das Schlimmste.» «Oh ja. Du kannst dich auf Tour nicht einfach mal schnell nen Tag krank schreiben lassen. Somit hält etwas, was man sonst in zwei, drei Tagen auskuriert hat, schnell mal eine Woche oder zwei.»

An dieser Stelle noch einen besonderen Dank an unseren Gastfotografen Olli Niggli, der nichts unversucht liess, interessante Fotos zu schiessen. Nicht mal eine waghalsige Klettertour, um das Titelfoto in den Kasten zu kriegen.

Hier noch das englische Video-Interview

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