«Das Album klang zunächst wie eine Scheidungsplatte»

Seine neue Platte hat Sänger und Gitarrist Nathaniel Rateliff aus Denver erstmals gemeinsam mit seiner Band The Night Sweat komponiert. Sie habe zunächst zu traurig geklungen, sagt er im Interview – das kann man sich bei ihm kaum vorstellen.

Es ist Montag. Du klingst verschlafen. Künstler sollten montags eigentlich nicht arbeiten müssen.

Nathaniel Rateliff: Ist es Montag? Ich habe keine Ahnung. Ich bin ohnehin immer am Arbeiten. Und das Gefühl für Wochentage habe ich verloren. Aber ja. Finde ich auch (lacht). Eigentlich habe ich zwar gerade eine Woche Pause.

Eigentlich Pause?

Du siehst: Trotzdem arbeite ich gerade. Wir haben eine Woche lang keine Konzerte. Diese Zeit wollte ich eigentlich nutzen, um neue Songs zu schreiben. Aber die Jungs meiner Band verboten mir das. Sie sagten, ich solle endlich mal ausspannen und was anderes tun.

«Ich mache viel Workout, vor allem bin ich oft am Boxen.»

Was tust du denn jetzt, wenn du nicht gerade Interviews gibst?

Ich gärtnere ein bisschen, ich mag Pflanzen. Und ich mache viel Work-Out, vor allem bin ich oft am Boxen.

Bald steht aber die Tour zu deinem neuen Album an. Das hättest du erstmals mit der ganzen Band zusammen komponiert, habe ich gelesen.

Das stimmt. Die letzte Platte war ja die erste, die ich zusammen mit meiner Band The Night Sweats aufnahm. Vorher gab’s ein paar Solo-Sachen. Das letzte Album bestand fast ausschliesslich aus meinen eigenen Kompositionen und Arrangements, einen grossen Teil nahm ich zunächst sogar ohne die Band auf. Es war ein Nathaniel-Album. Das wollte ich mit dem nächsten Album ändern.

Weshalb?

Wir sind als Band zusammengewachsen, nachdem wir über ein Jahr lang getourt hatten. Dadurch hat sich eine neue Dynamik entwickelt. Jeder hat seinen Platz. Und seine Ideen. Zudem wollte ich ein Album aufnehmen, so wie sie früher aufgenommen wurden.

Wie denn?

Na, alle sitzen in einem Raum und machen Musik zusammen. Heute machst du das ja meist mit Overdubs. Einer spielt nach dem anderen. Da fehlt völlig das Live-Gefühl in der Musik. Es war für mich stimmig, dass ein Album nach altem Stil auch mit Einflüssen jedes Musikers daherkommen musste.

 

Bild: Brantley Gutierrez

Es heisst, ihr hättet euch zunächst in die Wüste zurückgezogen, um aufzunehmen.

Das war in New Mexico. Wir mieteten eine Ranch und bauten sie zum Studio um.

Was kam dabei heraus?

Elf Songs. Danach gingen wir zu unserem Produzenten Richard Swift nach Hause und nahmen weitere acht Songs auf. Aber die 19 Tracks fühlten sich noch nicht nach einem Album an, also liessen wir etwas Zeit verstreichen und gingen dann nochmals zu Richard, um ein weiteres halbes Dutzend einzuspielen.

Weshalb fühlten sie sich zunächst nicht wie ein Album an?

Die allgemeine Stimmung war zu traurig. Das Album hätte wie eine Scheidungsplatte geklungen. Das wollte ich nicht, weil dieses Gefühl nicht der Realität entsprochen hätte. Und ich wunderte mich plötzlich auch, weshalb das so war.

Weshalb die traurigen Töne?

Ich hatte diese Texte in einer Phase meines Lebens geschrieben, als es mir nicht sonderlich gut ging. Als wir den Sound dazu entwickelten, orientierten wir uns offenbar zu stark am Inhalt des Songs.

Was hast du dagegen gemacht?

Ich zog mich nochmals zurück für einige Zeit und kreierte neue Songs, ganz klar mit dem Fokus, erhebendere Musik zu komponieren.

Musiker sagen meist, es sei einfacher, einen traurigen Song zu schreiben. Wie gingst du an die erhebenderen Songs heran?

Stimmt natürlich schon. Aber ich kann mit den Night Sweats auch problemlos einen traurigen Text mit lüpfiger Melodie versehen. Letztlich ist es vor allem schwierig, einen fröhlichen Text zu schreiben. Der Rest geht schon.

Stilistisch bist du dabei sehr agil. Nehmen wir Hey Mama vom neuen Album: Der beginnt wie eine Country-Nummer und wird plötzlich zum Soulkracher. Wie macht man das?

Ich habe kein Rezept. Ich spürte bei diesem Song einfach, dass er das akustische Gitarren-Intro braucht. Und dann nahm er Fahrt auf. Ein Song geht dahin, wo er will. Das ist ein Automatismus und keinerlei Genregrenzen unterworfen.

Du hattest schon einige Konzerte mit dem neuen Material. Weisst du schon, was live funktioniert?

Teils teils. Wir erarbeiten das noch. Man tüftelt an den Songs nochmals neu herum, wenn man sie auf die Bühne bringt. Aber wir spielen ohnehin nicht alles. Drei-Stunden-Shows wären mir selber zuwider. Und den Zuschauern auch. Wer tut sich das schon freiwillig an?

«S.O.B. ist ja nur ein kurzer Song.»

Hast du die Nase schon voll von deinem Hit S.O.B.?

Manchmal schon. Umgekehrt hat der Song uns als Band sehr viel gebracht. Er hat die Menschen auf uns aufmerksam gemacht. Ich versuche mich dann jeweils daran zu erinnern. Und es ist ja nur ein kurzer Song. Da müssen wir halt durch.

Ende März spielst du in der Schweiz. Was hältst du vom hiesigen Publikum?

Sie tanzen gerne und viel. Und ich war überrascht, wie gut meine letzte Platte in der Schweiz verkauft wurde. Offenbar mögen sie Rateliff. Ich mag sie auch. Und besonders unser Saxer, Andreas Wild. Der ist selber Schweizer. Seine Familie wohnt in der Region Bern.

Schon konkrete Pläne fürs Konzert in Zürich?

Noch nicht exakt. Aber wir wollen auf jeden Fall eine gute Zeit haben.

Nathaniel Rateliff & The Night Sweats spielen am 22. März im X-Tra, Zürich.