«Die Arbeit mit Plattenlabel ist die Hölle»

Nur wenige Stunden vor dem Konzert in Zürich setzte ich mich mit Mikko Sirén und Paavo Lötjönen von Apocalyptica zusammen um mit ihnen über Gastmusiker und die Zukunft von Apocalyptica zu reden.

Mikko Sirén von Apocalyptica (Foto: Sacha Saxer)
Mikko Sirén von Apocalyptica (Foto: Sacha Saxer)

Negative White: Ihr seid eine der Bands mit den meisten Gastmusikern. Bis jetzt sind es 35, wenn ich richtig gezählt haben.

Mikko: Da hast du vermutlich Recht. Hast du sie jemals gezählt, Paavo? (beide lachen)

Paavo: Nein, hab ich nicht. Aber nun können wir ihn zitieren.

Erzählt doch mal, wie so eine Zusammenarbeit im Normalfall aussieht. Wie fängt so etwas an?

Mikko: Das ist jedes Mal eine andere Geschichte. Und das ist das Schöne daran. Das Leben ist unvorhersehbar. Da gibt es Leute wie Dave Lombardo (Slayer), der die ersten Schlagzeugaufnahmen für uns machte. (Zu Paavo) Ihr habt ihn ja lange bevor Schlagzeug Teil unseres Sounds wurde, getroffen. Und schon damals hatte er gesagt: «Wenn ihr je Schlagzeugaufnahmen braucht, dann bin ich euer Mann.» Es ist diese Leidenschaft zwischen den Musikern, die uns dazu gebracht hat, mit Gastmusikern zu arbeiten. So war es auch mit Sängern wie Corey Taylor (Slipknot, Stone Sour). Wir haben ihn viele Male an Festivals getroffen und sprachen darüber, irgendwann mal zusammen etwas zu machen. Und dann gibt’s auch die Situation, dass man uns jemanden vorstellt und sagt: «Hey, da ist dieser Typ, der in dieser Band spielt und das könnte was für euch sein.»

Wie wirkt es sich aufs Touren aus, wenn man mit so vielen Gastmusikern arbeitet? Die spielen ja auch noch in ihren eigenen Bands und eure Fans wollen den Sound hören, den sie kennen.

Paavo: Ja, das war einer der Gründe, weshalb wir uns dieses Mal dafür entschieden haben, alle unsere Songs nur mit einem Sänger, der dann mit uns auf Tour kommt, zu machen. So hört das Live Publikum den gleichen Sound wie auf dem Album.

Mikko: Ja, wir hatten auch früher schon Toursänger mit dabei, die dann alle Lieder gesungen haben. Aber das ist nicht dasselbe, weisst du.

Paavo Lötjönen von Apocalyptica (Foto: Sacha Saxer)
Paavo Lötjönen von Apocalyptica (Foto: Sacha Saxer)

Klar, man kann keinen Kerl die Vocals von Cristina Scabbia singen lassen.

Mikko: Genau. Jetzt können wir die gleiche Stimme, die auch schon die Songs auf dem Album gesungen hat, bieten. Und wir haben einen fantastischen Sänger. Wie Paavo gesagt hat, das war einer der Hauptgründe, weshalb wir das Muster aufbrechen wollten. So wirkt es mehr wie eine Einheit und wir sind weniger abhängig von anderen.

Paavo: Aber man weiss nicht was morgen passiert. Wir könnten auch in Zukunft von Kooperationen machen.

Mikko: Und, Paavo und ich, wir sind selber ziemlich gute Sänger. (beide kichern)

Nicht wie ich.

Mikko: Oh, du kannst mit uns mitsingen.

Besser nicht, das würde dann etwa so klingen wie das fiese Gejaule bei «Mars Attacks».

Paavo: Ach, das wär sowas wie The Mamas and The Papas und du wärst dann der Papa. (alle lachen)

Auf «7th Symphony» sang Brent Smith (Shinedown) das Stück «Not Strong Enough». Aber für den US-Release der Single musstet ihr den Song nochmals aufnehmen mit Douglas Robb (Hoobastank) als Sänger, da es ein Problem mit den Betriebsrechten von Smiths Stimme gab.

Paavo: Oh, for fuck’s sake! Das war ein weiterer Grund, wieso wir nicht so weiter machen wollten. Mit anderen Musikern zu arbeiten ist wunderbar. Mit Plattenlabels und Anwälten zu arbeiten ist die Hölle. Wir hassen das. Deshalb ging das ganze «Mit anderen Musikern zusammenarbeiten»-Ding den Bach runter. Shinedown war gerade dabei die sechste oder siebte Radio-Single – vom gleichen Album! – herauszubringen und ihr Management erlaubte es uns schlicht nicht, unsere Single mit seiner Stimme zu veröffentlichen.

Mikko: Aber wir mussten sie veröffentlichen, also haben wir sie eben neu aufgenommen. Das war etwas vom Dümmsten, was wir je tun mussten. Das ist reiner Bullshit und hat überhaupt nichts mit Musik zu tun. Das sollte uns nicht tangieren, aber es tut es leider doch. Das passiert, wenn Plattenlabel und Managements involviert sind. Jetzt haben wir unseren eigenen Sänger und sind nicht mehr von irgendwelchen verrückten Managements abhängig. Wir sind froh, jemanden zu haben, der mit uns singt.

Wie häufig sind solche Rechteprobleme eigentlich?

Paavo: Ich würde sagen, die sind häufiger als du dir zu denken wagst. Nicht nur in unserem Geschäft. Auch im Rap und RnB, wo Stücke mit Gastsängern sehr häufig sind. Aber die sind alle so verknüpft, dass sie den Song von jenem Künstler und diesen vom anderen wählen können und beide haben etwas davon. Aber das ist so weit weg vom Musik machen. Das ist nur Geschäft.

Mikko: Und ich würde nicht sagen, dass diese Künstler nicht sehr viel arbeiten würden. Es ist leider einfach so, dass der Aufwand so riesig geworden ist.

Also würdet ihr es bevorzugen, in zukünftigen Zusammenarbeiten auf unabhängige Künstler zurückzugreifen?

Mikko: Es ist meistens nicht so einfach. Wir möchten so unabhängig bleiben wie möglich.

Paavo: Wir sind so quasi unabhängig. (beide grinsen) Das ist ein Witz, um ehrlich zu sein. Wenn jemand sagt, er sei unabhängig, verarscht er sich selbst oder ist dumm. Niemand is unabhängig. Du hast eine Frau, Freundin, Jemanden. Du bist nicht unabhängig.

Mikko Sirén (Foto: Sacha Saxer)
Mikko Sirén (Foto: Sacha Saxer)

Dass Franky Perez alle Lieder auf «Shadowmaker» singt ist also nicht vergleichbar mit dem was Nightwish gemacht hatte, als sie Floor Jansen zunächst als Toursängerin und danach als offizielle Sängerin der Band vorgestellt hatten?

Mikko: Wir haben ehrlich gesagt noch gar keine Pläne gemacht. Wir haben keine Pläne, dass wir mit ihm weitermachen nach der Tour und wir haben bestimmt keine Pläne, dass wir ihn nicht behalten nach der Tour. Wir werden sehen. Wir halten uns gerne alle Optionen offen.

Paavo: Wir wissen noch nicht mal, was wir als nächstes aufnehmen werden, deshalb müssen wir abwarten. Wir mögen ihn als Mensch, er ist echt ein netter Kerl auf der Tour.

Mikko: Absolut.

Paavo: Ein sehr guter Kerl.

Mikko: Ein professioneller Musiker, nicht nur ein Starsänger, weisst du. Er schreibt Musik, weiss wie das System funktioniert. Er ist sehr leidenschaftlich. Das ist grossartig. Er ist nicht einfach so ein gebuchter Typ, der seinen Job erledigt und dann wieder geht. Ihm liegt die Musik wirklich am Herzen.

In 2012/13 habt ihr euch wohl ambitioniertestes Projekt gemacht: «Wagner Reloaded». Wie oft habt ihr die Produktion überhaupt aufgeführt?

Paavo: Ganze fünf Mal.

Mikko: Wenn du es so siehst, war es ein riesiger, riesiger Haufen Arbeit, den wir da reingesteckt hatten. Aber es ist möglich, dass wir das mal nochmals aufführen werden, oder gar eine Tour-Version davon machen. Aber im Moment konzentrieren wir uns natürlich auf unsere «Shadowmaker»-Tour.

Paavo: Aber was haben wir nicht alles gelernt dabei…

Mikko: Und was für einen Spass wir dabei hatten.

Es kam auch beim Publikum sehr gut an.

Mikko: Ja, sehr gut. Und Ich denke, die Musik und die Komposition war wirklich fantastisch.

Paavo Lötjönen (Foto: Sacha Saxer)
Paavo Lötjönen (Foto: Sacha Saxer)

Nächstes Jahr ist das 20. Jubiläum von eurem Debütalbum «Apocalyptica plays Metallica by four Cellos». Gibt es Pläne, diese Gelegenheit zu feiern?

Beide: Ja, die gibt es. (Beide mit einem breiten Grinsen im Gesicht.)

Aber ihr werdet sie mir nicht verraten…

Beide: Nein! (lachen)

Paavo: Aber liked Apocalyptica auf Facebook, folgt uns auf Twitter und ihr weeded die News erhalten. Ziemlich bald, da bin ich mir sicher.