«Es gibt zwei Arten von Musik: gute und schlechte»

Jimmy Cliff baut weiterhin an seinen Träumen. Bild: Sacha Saxer

Jimmy Cliff weiss, wie der Hase läuft. Der 65-jährige sympathische Reggae-Künstler hat in seinem Leben viel erreicht. Ausruhen können sich aber andere. Er sprudelt immer noch voller positiven Energie und Tatendrang. Erfahre exklusiv bei Negative White, welche Musik gut ist und was er demnächst plant.

Jimmy Cliff verhalf dem Reggae zum Durchbruch: Er schrieb zahlreiche Hits selber, half anderen Künstlern, ihre Ideen umzusetzen und besetzte sogar im ersten Reggae-Film The Harder They Come die Hauptrolle. Eigentlich wollte er lieber Filmstar werden, die Gesangskarriere war zweite Priorität.

Dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat, zeigen nicht nur die zahlreichen Fans, welche über den gesamten Erdball verteilt sind, sondern auch er selber mit seiner positiven Art. Und für Jimmy Cliff ist es sowieso nie zu spät, sich weiter zu entwickeln, neue Wege zu gehen und energiegeladen an seinen Träumen weiter zu basteln. Ob er seinen Oscar noch abräumen wird, bleibt in den Sternen geschrieben, aber dass er noch für die eine oder andere Überraschung zu haben ist, von dem sind wir überzeugt.

Wer Jimmy Cliff noch nie live gesehen hat, sollte dies auf jeden Fall nachholen. Im 2014 kannst man ihn gleich vier Mal in der Schweiz live erleben. Ihm scheint die Schweiz zu gefallen, dachten wir, und stellten ihm zur Eröffnung die Frage, ob er die Schweiz möge. Die Mundwinkel vom einen zum anderen Ohr gezogen erwiderte er: «Ja, ich mag die Schweiz. Ich verspüre hier eine gute Energie. Die Leute mögen meine Musik.»

Jimmy Cliff im Schweizer Reggae-Test

In den letzten paar Jahren schossen viele Schweizer Künstler wie Dodo, Phenomden oder Elijah wie Pilze aus dem Boden und brachten den Mundart-Reggae erfolgreich auf die Bühne. Wir wollten es genauer wissen und testen Cliffs Kenntnisse zur Schweizer Reggae-Szene.

Leider hatte er keinen Namen aus der Schweizer Szene im Kopf. Er war aber umso erfreut über unseren kurzen Einspieler. Wir spielten von Phenomden den Track Uf de Reis vor. Anerkennend meinte Cliff: «Sounds good! Sein guter Rhythmus ist echt bemerkenswert. Er hat den Jamaikanischen Stil erkannt und eingefangen. Es klingt wirklich gut.» Und er strahlt erneut über das ganze Gesicht.

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Ein fröhlicher Mensch. Bild: Sacha Saxer

Das macht Cliff sehr sympathisch; immer ein Lächeln auf dem Gesicht und offen gegenüber Neuem. Er denkt, dass Künstler aus anderen Ländern den Spirit von Jamaika sehr gut transportieren können und macht dazu den Vergleich: «Musik ist wie Luft. Alle können sie atmen, auf der ganzen Welt. Wenn du nach Südamerika gehst, haben die ihren eigenen Reggae-Stil, wenn du nach Afrika gehst, haben sie wiederum einen Eigenen. Wenn du in die Schweiz kommst, klingt es also so. Neue Reggae-Künstler inspirieren mich mit ihrer Sprache und ihrem Rhythmus. Das ermutigt mich selber, anderes zu probieren.»

Dass er immer wieder neue Einflüsse zuliess, hört man in seinen zahlreichen Alben. Zuletzt ging er mit seinem Album Rebirth zwar wieder back to the roots, jedoch holte er sich auch dort neuartige Verstärkung von der Punkband Rancid und coverte den Song Guns of Brixton von The Clash.

«Auf der Bühne werde ich zu einer anderen Person.»

Wir holten ein Zitat aus einem früheren Interview heraus und wollten seine Meinung zum Thema Social Media erfahren. In diesem Zitat meinte er vor rund zwei Jahren: «Andere sagen, dass Videos die Radiostars getötet haben. Ich sage aber, die Computer sind dafür verantwortlich. Das einzige, was man nicht zerstören kann, ist die Live-Performance. Du kannst alles auf dem Handy aufnehmen, du kannst es auf dem Bildschirm anschauen, aber es gibt nichts Besseres als den Künstler in Fleisch und Blut zu sehen.»

Man könnte also meinen, Cliff sei der neuen Technologie abgeneigt. Bei unseren Recherchen haben wir aber herausgefunden, dass er sehr fleissig auf Twitter und Facebook ist. Wiederum lacht er verschmitzt: «I’m totally into that. Wenn du da nicht mithältst, bist du weg vom Fenster. Das ist unser Zeitalter, in dem wir leben. Wenn du dich dem entziehst, bleibst du im Hintertreffen und da bin ich nicht gerne. Ich bin gerne da, wo Action ist. Es ist eine gute Zeit. Wir erleben eine neue Revolution. Und weil wir mitten drin sind, bemerken oder schätzen es manche vielleicht gar nicht so.»

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Jimmy Cliff im Gespräch mit Reporterin Nathalie Meyer. Bild: Sacha Saxer

Er erklärt, dass es die landwirtschaftliche Revolution gab, die industrielle Revolution und nun die kommunikative Revolution. Er könne nun seine Musik mit der ganzen Welt teilen. «Wenn ich etwas Neues schreibe, kann ich es auf den Social Media Plattformen posten. Ich erhalte dort direkt ein Feedback. Vorher konnte ich das nicht. Aber natürlich liebe ich die Live-Performance, niemand kann das schlagen. Das ist Leben. Du fühlst die Energie der Zuschauer, du siehst sie, du ernährst dich davon. Auf der Bühne werde ich zu einem anderen Menschen.»

Von was sollte Jimmy Cliff sonst leben?

Sein Glitzern in den Augen und sein herzliches Lachen zeigten, dass dies seine echte Passion ist. Zum Thema Musikdownloads meinte er darauf wieder realistisch und vorerst ernster, dass es zwei Aspekte gäbe. Zum einen sei es positiv, weil er seine Fans direkt und sofort erreiche, zum anderen sei es ein Geschäft. Es sei ein grosses Thema und er akzeptiere es einfach. Kichernd meinte er aber abschliessend: «Von was soll ich denn sonst leben? You know?»

Damit ihr euer Budget, respektive CD-Käufe schon bereits etwas planen könnt, haben wir noch genauer nachgehakt und gefragt, wann denn ein neuer Streich von Jimmy Cliff zu erwarten ist. Er sei zurzeit viel am Schreiben. Die kommende Produktion werde anders als die letzte; weniger nostalgisch. Er möchte nicht mehr dorthin zurück, er will und werde mit etwas Frischem kommen. Bis im September ist Cliff nun noch auf Tour, dann werde er sich ans Werk machen. Zuerst wird er einen Film drehen und dazu den Soundtrack schreiben.

Der einfache Unterschied von gut und schlecht

Wir sind gespannt und hoffen, dass wir ihn mit unserem Mundart-Song noch etwas inspirieren konnten. Die Ideen und die Motivation gehen ihm aber sowieso nie aus. So lange die Musik positiv ist, gefällt sie ihm. Und so wertet er auch Musik. Wir haben ihn gefragt, was ihm neben Reggae sonst gefällt: «Ich liebe Jazz, R&B, Rock oder Pop. Ich höre alles gerne und halte mich auf dem Laufenden. Ich danke euch auch nochmals für das Lied, das ihr mitgebracht habt. Für mich gibt es zwei Arten von Musik: gute und schlechte. Wenn es gut ist, ist es gut, wenn es schlecht ist, ist es schlecht. Gut ist positive Musik, die dich aufstellt. Wenn jemand gerne negative Musik macht, dann soll er. Es gibt auch dafür einen Markt, aber ich persönlich mag das Positive.»

Und schon wieder hatten wir einen Strahlemann vor uns. Wenn die Welt doch immer so einfach wäre.

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«Ich liebe Jazz, R&B, Rock oder Pop.» Bild: Sacha Saxer