First Breath After Coma – Drifter

Drifter – ein Albumtitel, der weit mehr als nur einschlägig klingt, sondern auch Wörter wie «Herumtreiber» oder «Bummler» in sich trägt. Denn mit ihrem zweiten Album laden First Breath After Coma wahrlich dazu ein, sich treiben und verwehen zu lassen.

Manchmal, wenn nicht sogar oft, ist Musik das beste Heilmittel gegen Alltagsfieber und Gesellschaftsgrippe. Ein angenehmer Weg dem ganzen Trubel und den reissenden Strömen unserer nervenzerrenden Umgebung in Form portionierter Lieder oder wohl dosierten Alben zu entfliehen, den Kopf frei zu bekommen und für eine bestimmte Dauer eine Wohlfühloase um uns zu bilden. Dabei auf Alben und Bands zu stossen, die einem wortwörtlich Melodien und Stimmungen ins Ohr einbetten, ist Segen und Seelen-Wellness zugleich.

Es sind Songs und Musiker, die uns auf allen Ebenen abholen und einnehmen, an die wir uns erinnern und klammern werden. Und so ist Drifter, das zweite Album der aus Portugal stammenden Post-Rock-Band First Breath After Coma, ein in sich geschlossenes Klangkonstrukt, in dem man am liebsten heimisch werden möchte.

Zwischen Eleganz und Gewalt

Dass die fünf Freunde aus Leiria im Westen von Portugal als grosse Nachwuchshoffnung gelten, ist ein offenes Geheimnis. 2012 fanden sie als First Breath After Coma zusammen, den Namenvon Explosions In The Skys Album The Earth Is Not A Cold Dead Place entnommen. Ein Jahr darauf folgte ihr Debütalbum The Misadventures Of Anthony Knivet. Lag schon in dieser ersten Veröffentlichung eine hörbare Eleganz, so haben First Breath After Coma durch „Drifter“ noch mehr Form angenommen:

«Wir haben mit den Aufnahmen für das zweite Album alle sehr an Reife gewonnen. Es war ein langer, ein sehr langer Prozess währenddem wir viel experimentierten und alles um uns herum festgehalten haben. Gefolgt von sechszehn bis siebzehn Stunden langen Proben, bei denen wir uns verschanzt haben um Songs zusammenzutragen. Während des ganzen Prozesses gab es einige Ängste, wir gingen durch Zeiten von Unsicherheit. Wie jede Band, die mit ihrem zweiten Album versucht, ihre Identität zu festigen. Das Wichtigste daran ist, dass wir durch all dies als Musiker und als Band herangewachsen sind. Wir sind sehr glücklich mit dem Resultat.»

So die Worte von Sänger und Gitarrist Roberto Caetano, der den Songs nebst Hall und Glanz mit seiner Stimme zusätzliche Grösse verleiht. Ob nebligem Flüstern auf Stücken wie Umbrae mit Gastsänger Noiserv oder mehrstimmiger Bombast im Eröffnungsstück Salty Eyes, das Quintett legt grossen Wert auf Details. Auch in ausbrechendem Refrains lassen sich Finessen erkennen, ohne sich in überbordendem Pomp zu verlieren. Es ist das Zusammenspiel von verletzlicher Intimität und schmetternden Klanggewalten, welches das Album zu einem Erlebnis macht. Dies meint auch Roberto:

«Dieses Spiel mit Laut und Leise, Brachialem und Intimem ist etwas sehr Natürliches im Aufbau unserer Musik, wir lieben diese Dynamik. Es ist wie im echten Leben: Dinge können sehr leise und gelassen wirken und auf einmal wird dir der Boden weggezogen und du möchtest am liebsten laut losschreien. Wieso dies nicht in Form von Musik widerspiegeln?»

First Breath After Coma
First Breath After Coma zwischen Schein und Sein. Bild: zvg

Musik als Lebensansporn

Nachdem Drifter eigentlich schon letztes Jahr in ihrer Heimat erschien, findet der Zweitling von First Breath After Coma nun also auch seinen Weg zu uns. Lieder wie das berauschend schöne Blup, das sich gegen Ende zu einem gewitterhaften Feuerwerk manifestiert, oder auch der zehnminütige Abschlustitel Seven Seas, schreien Aufbruch in die grosse, weite Welt. All dies lässt auf noch viel grössere Errungenschaften hoffen. 2017 im Programm des Showcase Festivals Eurosonic Noorderslag, spielen die fünf Musiker bald Konzerte in der Schweiz und Deutschland. So zum Beispiel am Samstag, 12. August an den Winterthurer Musikfestwochen.

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Dämmrig belebender Post Rock aus dem bunten, sonnigen Portugal auf dem Vorstoss. Und auf einmal Vergleiche mit Grössen wie Radiohead, Mogwei oder Editors. Der rasante Verlauf ihrer Bandgeschichte lässt die Anfang-Zwanziger nicht kalt, sondern spornt sie vielmehr an. „Drifter“ ist ein weiterer Schritt in Richtung Selbstfindung und ein Lebenskapitel in Form von Musik, meint Sänger Roberto abschliessend:

«Es ist spannend, und doch wissen nicht einmal wir genau, wo uns das Leben hinführen wird. Alle von uns sind ziemlich abenteuerlich und hungrig nach neuer Klangfülle. Als wären wir musikalische Weltenbummler. Ich denke, dass viele junge Leute heutzutage zum Teil getrennt sind von Mutter Natur. Dabei haben wir im Hier und Jetzt alle Freiheit der Welt. Millionen von Möglichkeiten stehen zur Auswahl, die uns täglich begegnen. Sodass es einem schier schwindlig wird. Der Unterschied liegt darin, dass wir unsere Leben in Form von Musik festhalten.»

Drifter Artwork
First Breath After Coma – Drifter. Artwork: Maria Louceiro

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