Harvey Rushmore & The Octopus: «Futureman» ist ein retro-futuristischer Trip

Bild: Mehdi Benkler

Wir haben uns die neue Platte «Futureman» von Harvey Ruhsmore & the Octopus reingezogen und uns in direkt in die retro-futuristische Surf-Garage-Rock-Ambiance verliebt. Die wohl süchtigmachendste Psychedelic-Scheibe der Schweiz.

Harvey Rushmore & the Octopus, das sind Massimo Tondini an Gitarre und Gesang, Jonathan Meyer am Bass, Jakob Läser am Schlagzeug und an der Mundharmonika und Stefan Cecere an den Tasten. Seit 2015 macht das Quartett mit ihrem hochprozentigem Gemisch aus Psychedelic- und Garage-Rock die Tanzflächen unsicher. Die Band, für ihre einfahrenden audiovisuellen Shows bekannt, schaffte es dank ihrem Debüt von 2017 The Night an grosse Namen wie die Bad Bonn Kilbi, das Ostfest und in den Bogen F als Support von Wolf Parade. Ein Jahr nach dem Debütalbum ist der Oktopus hungrig und will mehr. Das Ergebnis lässt sich sehen und hören – auf The Night folgt jetzt Futureman.

Harvey Rushmore & The Octopus
Bild: zvg

This is the Futureman

Abgründig, geheimnisvoll und ausgestattet mit übernatürlichen Kräften. Wer oder was ist Futureman? Als eine Weiterentwicklung des Menschen schafft er es, durch die Zeit zu reisen und das Universum intensiver und ungefiltert wahrzunehmen. Futureman besitzt achttausend und neun Geschlechter und hat achttausend und neunmal Liebeskummer.

Doch für seine Abnormität wird er von den Menschen ignoriert oder verachtet. Seine übernatürliche Gabe wird für ihn zunehmend zur Last und führt in an den Abgrund. Im Wahn erkennt er die Probleme der Menschheit und ist fest entschlossen dagegen anzutreten.

Eine grosse Bedrohung steht der Menschheit bevor: Mysteriöser roter Schleim wird an die Küsten gespült. Geblendet von seiner Schönheit werden die Menschen hypnotisiert und betört. Gefangen im hungrigen und schleimigen Glanz werden sie schlussendlich verdaut. Rasch wird der Schleim begehrt und verehrt, die verheerenden Folgen blendet die Menschheit ignorant aus. Kann Futureman die Welt retten? Auf diese Frage haben Harvey Rushmore & the Octopus eine Antwort von neun höchst psychedelischen Garage-Rock-Songs parat.

Slime on the Beach vs. Futureman

Mit rasantem Schlagzeug-Geschepper und rotierenden Casiotone nimmt die Scheibe seinen Anfang. Schnittiger Groove, Uptempo, Slime on the Beach und wilde Gitarre. Mit dem eingängigen Refrain und frech verzerrtem Surflick brennt sich der erste Track problemlos ins Kleinhirn. Ein wilder Surfritt auf Wellen bunter Pillen, John Dwyer und Oh Sees wären stolz.

Der Titeltrack Futureman folgt, ein klarer Favorit der Scheibe. Ein grooviges Schlagzeug legt zusammen mit wummernden Bassläufen und sphärischen Synthiesounds einen flächigen psychedelischen Klamgteppich, auf dem sich das repetierende Thema von Futureman mit Gitarre und Gesang austoben kann. «This is the Futureman.» 

Der Song gewinnt an Intensität und entpuppt sich als explosives Psychedelic-Rock-Gebräu, bei welchem jeder Tropfen süchtig macht. Je länger wie stürmischer. Immer wieder branden neue Wogen psychedelischer Wellen, die Gitarrenarbeit immer ekstatischer, überladen mit abgespaceten Effekten. Besser hätten es King Gizzard & the Lizard Wizard nicht machen können.

Spiders in the Sun, Cosmic Lovers in the sky

Spiders in the Sun lädt mit eingängigem Surfabilly-Lick direkt auf die schweissbedeckte Tanzfläche ein und überzeugt mit stillvollen The Black Angels-Vibe. Hallende Linien wie «I met my lover on redemption road» vergisst man nicht so schnell.

Das fünfminütige Lied Cosmic Lovers bietet eine erste Verschnaufpause, in ruhiger Manier wird man in den Rücksitz gedrückt, irgendwo in der Ferne tropfen melancholische Synthie- und Gitarrentöne vom Himmel. Wie auch bei Beneath the Sun von der ersten Scheibe The Night vermag das ruhigste Lied des Albums genauso zu hypnotisieren und einzufahren.

Das darauffolgende instrumentale Vacuum bildet mit sphärischen Synthie-Klängen ein Intermezzo in der Mitte des Albums.

Nightwalker & The Coaster

Mit Nightwalker folgt ein erneuter Track mit Suchtpotenzial. Schlagzeug und Bass kreieren einen diabolisch hypnotischen Loop, der Synthie bläst von einem Ohr ins andere und zusammen mit dem hallenden Gesang schwelgt man erneut in Oh Sees-Nostalgie. Die bissige Gitarre schreit sich in der Mitte des Songs in verzerrter Manie und bringt gegen Schluss einen bittersüssen, arabischen Touch.

The Coaster lädt direkt zur ausufernden Strandparty ein. Über vorpreschenden Drums liefert Twang-Gitarren pure Garage-Surf-Ambiance. Der Coaster geht seiner antagonistischer Bestimmung nach: Er stellt aus dem roten Schleim ein unwiderstehliches Rauschmittel her. Immer mehr Menschen verfallen der extrem abhängig machenden Droge. Genauso wie man dem unheimlichen Drive des Songs selbst verfallen kann. Vorsicht Suchtgefahr! Zuletzt spielt sich die Band in einen stetig schneller werdenden Lärmrausch.

Trees Have Eyes & Hole in the Sky

Ein weiterer Favorit der Scheibe Trees Have Eyes folgt: Schon in den ersten vier Sekunden des Songs realisiert man, dass es unheimlich grooven wird. Eine Surfgitarre gibt ein unwiderstehliches Pattern und die Rhythmussektion setzt mit schnittigem Groove ein. Über den hüftschwingenden Retrosound singt sich eine massgeschneiderte Blues-Mundharmonika ins Echo. Herrlich.

Die Band entpuppt sich während des Albums als gut geölte Rock’n’Roll-Maschiniere und setzt sich immer neue ekstatische Höhepunkte als Ziel. So ist es auch bei Trees Have Eyes, nach drei Minuten Psych-Pop spielt sich die Band langsam und sicher während vier endlos scheinenden Minuten ins Psychedelic-Rock-Nirwana.

Mit Hole in the Sky kommt zu guter Letzt ein melancholischer Track – rasch verliebt man sich in die akustische Gitarre, die Tarantino-Tremolo-Echos und den Schellenkranz, wie man es von The Brian Jonestown kennen könnte. Hole in the Sky hinterlässt einen nostalgischen und idyllischen Nachgeschmack des Trips in die retrofuturistische Soundwelt von Futureman.

Psychedelic-Trip auf Wolke 7

Harvey Rushmore & the Octopus liefert alles an Soundmaterial, um sich auf einen haareschüttelnden Psychedelic-Trip auf Wolke 7 zu schiessen. Über grooviger Rhythmussektion tobt sich eine manisch melodische Gitarre aus und ein ekstatischer Höhepunkt jagt den nächsten. Die Band verpasst dem 60er-Jahre-Surf und Garage ihren ganz eigenen Touch und lässt in bittersüss an grosse Psych-Rock-Bands erinnern, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren.

Das Album geht runter wie psychedelischer Schmieröl – einfahrend, süchtig machend und heimsuchend. Der «Red Slime» verpasst nicht nur im Album sondern auch der schweizerischen Psych-Szene neuen Glanz und macht einem bewusst, dass solch Musik grosser Szenengrössen nicht nur aus Australien oder Kalifornien kommen können, sondern dass erstklassige Psychedelic-Surfer auch an der Limmat zu finden sind. Futureman – ein abgedrehter retro-futuristischer Trip mit einer Überdosis Twang, Groove und Echo. Und dem Durst nach mehr.

Für Fans von: Oh Sees, King Gizzard and the Lizard Wizard, Moon Duo, Wooden Shjips, Brian Jonestown, The Murlocs, Frankie & The Witch Fingers, Allah Las und allgemein Liebhaber guter Musik!

Live: Harvey Rushmore & the Octopus starten für ihr Albumrelease eine Tour durch die Schweiz, Deutschland, Österreich, Tschechien, Belgien, Luxembourg, Frankreich, Spanien und Portugal. Die Tourdaten findest du hier.

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