«Tarantino hörte meinen Song und rief mich an»

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Tomoyasu Hotei (54) hat den Titel-Song zum «Kill Bill»-Soundtrack komponiert. Der Japaner beschloss vor einigen Jahren, die ganze Welt auf sich aufmerksam zu machen, statt nur seine Heimat. Seither läuft’s rund bei ihm: Er stand schon mit den Rolling Stones, David Bowie und Iggy Pop auf der Bühne.

Hotei, du bist gerade im Studio. Was nimmst du auf?

Tomoyasu Hotei: Songs für ein neues Album. Aber weit bin ich noch nicht damit. Es sind erst Demos.

Hast du ein Konzept für die Platte?

Eben nicht. Ich suche danach. Das letzte Album war richtig ernst, mit politischen Themen wie der Situation in den USA oder der Flüchtlingskrise in Europa. Jetzt will ich wieder etwas Fröhlicheres aufnehmen.

Fallen dir fröhliche Songs schwerer als ernste?

Oh ja. Ich lebe ja in England und da kommt jetzt langsam der Winter. Eine dunkle Jahreszeit, was das Schreiben fröhlicher Songs nicht gerade vereinfacht. Aber vielleicht kommt mit der einen oder anderen Kollaboration etwas Gutes raus.

Wieder mit Iggy Pop?

Weshalb nicht? Ich war kürzlich in Miami. Da könnte ich wieder hin, wenn er will, dass ich komme. (Iggy Pop lebt in Miami, Anm. d. Red.)

Jetzt steht aber zunächst einmal Europa an. Du warst letztes Jahr erstmals auf Europa-Tour. Wie war das für dich?

Man hat immer so Ideen im Kopf, wie es sein würde. Mich machte das total nervös. Ich fragte mich, ob die Europäer mich mögen und verstehen würden. Dann war ich da und plötzlich kamen Japaner aus allen Ecken Europas zu meinen Konzerten. Das war überwältigend. So viel Unterstützung. Mir zeigte das: Was immer man erwartet, es wird ohnehin anders und wissen kann man nie, was da kommt. Aber dieses Jahr planen wir die Tour etwas anders.

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Hotei
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Wie denn?

Letztes Jahr hatten wir zu viel Stress, kaum Zwischentage. Ich weiss, dass ich in Zürich krampfhaft ein japanisches Restaurant suchte und dann ein Gutes fand, das aber viel zu teuer war. Mehr weiss ich nicht von der Schweiz. Dieses Jahr nehmen wir es ruhiger, mit Tourbus und Zwischentagen.

Vor einigen Jahren sagtest du: Ich werde 50, jetzt will ich meinen Traum, um die Welt zu touren, endlich wahr werden lassen. Hat sich das bewährt?

Der Punkt war ja, dass ich deshalb beschloss, von Japan nach London zu ziehen. Das war zwar ein gewaltiger Schnitt in meinem Leben, zugleich aber auch eine Erfahrung, die sich gelohnt hat. Ich habe dank dieses Umzugs so viele Dinge gesehen, die mir sonst verwehrt geblieben wären, und ich habe unglaublich viele Menschen getroffen. Ich bereue nichts.

Zurück zu Japan. Bevor du Rockmusiker wurdest, schmiss man dich von der Schule, weil du langes Haar trugst. Du seist zunächst verwarnt worden und hättest daraufhin gesagt, Jesus habe sein Haar auch lang getragen, darauf folgte der Rausschmiss. Stimmt das?

Unter uns: Ja, die Sache stimmt. Allerdings war das alles nicht so Rock’n’Roll wie es jetzt klingt. Denn nach dem Rausschmiss ging ich nach Hause und schnitt meine Haare kurz. Dennoch: Da war diese jugendliche Energie, diese Rebellion. Ich glaube nicht, dass meine Auflehnung ein Fehler war.

Dein Haar ist bis heute kurz geblieben. Willst du es nicht nochmals wachsen lassen?

Ach was. Die Zeiten sind vorbei. Ich kann ja froh sein, dass ich überhaupt noch Haare auf dem Kopf habe. Das ist definitiv ein Segen. Abgesehen davon sind lange Haare zu mühsam zum Waschen. Darauf hab ich keine Lust.

Es gibt noch eine Legende über dich. Du hättest deine erste Gitarre mit Geld gekauft, das du von deiner Mutter geklaut hattest. Hast du diese Gitarre noch?

Ach weisst du, Gitarrenliebhaber kaufen ständig Gitarren. Wer auf Ferraris steht, hat vielleicht zehn Ferraris in der Garage. Fahren kann er doch nur einen. Ich habe gerade in Japan wieder eine neue Gitarre gekauft. Ich kann einfach die Finger nicht davon lassen.

«​​​​​​​Ich bereue nichts mehr im Leben, als dass ich meine erste Gitarre verkauft habe.»

Was hat das mit meiner Frage zu tun?

Ja gut. Das mit der ersten Gitarre war so eine Sache. Die Geschichte ist eigentlich geheim.

Hast du das Instrument denn noch?

Eben nicht.

Was ist denn passiert?

Na gut. Ich sah diese Gitarre in einem Shop in Japan, wunderschönes Design, aber sauteuer. Die wollte ich, aber ich hatte nicht genug Geld. Also verkaufte ich meine erste Gitarre einem Freund für 10’000 Yen und kaufte mir diese schöne Neue. Ganz ehrlich: Ich bereue nichts mehr im Leben, als dass ich meine erste Gitarre verkauft habe.

Das war jene, die du mit dem geklauten Geld gekauft hattest?

Genau, das war die erste.

Hatte sie einen Namen? Also einen Frauennamen, wie das Gitarristen gerne tun.

Hm. Susanne.

Weshalb Susanne?

Ist das nicht ein populärer Schweizer Name? Deshalb. (lacht)

Ah, das ist sozusagen eine erlogene Schleimspur zwecks Konzertwerbung?

Genau, du hast mich durchschaut. (lacht)

«​​​​​​​Ich glaube, dass über mir ein Glücksstern scheint»

Du bist mit den Rolling Stones auf der Bühne gestanden. War das so irre, wie man es sich vorstellt?

Ich stand auch mit David Bowie und Iggy Pop auf der Bühne. Ich bin Musiker geworden, um mit meinen Idolen mal spielen zu können. Ich war 14 und wollte nichts mehr, als diese Menschen zu treffen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass das jemals geschehen würde. Es war einfach Schicksal.

Du hast dich nicht darum bemüht?

Nein. Das war reines Glück. Ich glaube, dass über mir ein Glücksstern scheint.

Aber eine Erklärung muss es doch dafür geben.

Die einzige, die ich habe, ist jene, dass den Leuten in meiner Gesellschaft irgendwie wohl sein muss. Ich treffe ständig neue Leute und dann sitzen wir beisammen und haben es saulustig und plötzlich sagt einer: Komm wir spielen ein bisschen Musik zusammen. Und schon führt eins zum andern. Bist du Sänger?

Ja.

Dann lass uns zusammen einen Song aufnehmen. Ich mache da keine Unterschiede. Ich arbeite mit jedem, der mich fragt.

Warum auch nicht. Du hast ja zwei Duette mit Iggy Pop aufgenommen. Wie viel von dir und wie viel von ihm steckt da drin?

Bei Iggy begann alles mit meinem Produzenten, der auch für ihn arbeitet. Er schlug vor, dass wir uns mal treffen sollten, da er glaubte, wir verstünden uns gut. Das war backstage am Montreux Jazz Festival. Er hatte ein paar Lyrics bereit, ich spürte den Song da drin. Also sassen wir zusammen und begannen zu tüfteln.

Und verstandet ihr euch tatsächlich?

Natürlich. Alle glauben, Iggy Pop sei ein böser, verbitterter und äusserst schwieriger Mensch. Das Gegenteil ist der Fall. Er ist ein totaler Gentleman, unkompliziert, sehr intellektuell und auch witzig.

Du hast für den «Kill Bill»-Soundtrack den Titelsong geliefert. Hand aufs Herz: Hast du den wirklich für diesen Streifen komponiert?

Nein, ich hatte ihn für einen japanischen Film geschrieben, Quentin Tarantino hörte ihn und rief mich an. Er sagte, er liebe meine Musik und wolle sie in seinen Film einbauen. Ich schlug ihm vor, etwas zu komponieren. Aber er insistierte, dass er genau diesen Song bräuchte. Also gab ich ihm einen neuen Namen, damit Tarantino ihn in seinen Film einbauen konnte.

«Die Leute sagen, ich hätte ein grossartiges Cover des Kill-Bill-Songs gespielt.»

Der Song hat dir sicherlich Türen geöffnet, oder?

Es ist ehrlich gesagt etwas frustrierend. Wenn ich ihn bei Konzerten spiele, kennt ihn jeder, aber wirklich jeder und überall. Nach der Show kommen dann die Leute und sagen, ich hätte ein grossartiges Cover des Kill-Bill-Songs gespielt. Die begreifen nicht, dass das mein Song ist.

Also hat der Song auch eine negative Seite für dich?

Du schreibst für Negative White, oder?

Ja.

Musst du deshalb eine Frage stellen, in der etwas Negatives thematisiert wird?

Nein. Diese Frage hat nichts mit dem Namen des Portals zu tun.

Was bedeutet denn Negative White?

Na, Schwarz natürlich. Ich glaube, das Portal war einst im Gothic-Bereich zuhause. Heute aber nicht mehr.

Ach so. Ich dachte jetzt das ganze Interview lang: Wann kommt wohl die Negativ-Frage – und plötzlich war sie da.

Aber sag: Empfindest du den Kill-Bill-Song als negativ für dein Schaffen?

Keineswegs. Ohne ihn könnte ich vermutlich nicht spielen, wo ich spielen darf. Mir ist zudem wichtiger, dass die Leute das Produkt mehr mögen als den Künstler.

Was spielst du in Zürich?

Ein Drittel der Show wird instrumentale Gitarrenmusik sein, ein Drittel ist eine Best-Of von meinen alten Sachen, das letzte Drittel dreht sich um die neuen Alben. Die Musik ist tanzbar, aber auch emotional. Wer ohne Erwartungen kommt, wird von Hotei am besten abgeholt.


Hotei spielt am Mittwoch, 10. Oktober, um 20 Uhr im Kaufleuten Zürich.


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