The Internet mit «Hive Mind»: Entschleunigter Sommer-Soundtrack

Mit ihrem neuen Album «Hive Mind» beweist das aus Los Angeles stammenden Soul- und Alternative-R&B-Kollektiv The Internet, dass Sommer-Soundtrack nicht laut und pumpend sein muss, um die Beine und aufblühende Liebesgefühle anzuheizen. Auch smoothe Jazz Klänge in modernem Gewand können einen lüsternen Sommerabend zum Knistern bringen.

2011 als Duo gestartet, zählt die mittlerweile fünfköpfige Band um Sängerin und Gründungsmitglied Sydney «Syd» Bennett zu einem der wichtigsten, wie auch heissesten Acts des stilvollen amerikanischen R&B. Andere Namen, die sich in dieser Rubrik wiederfinden, wären beispielsweise Miguel oder Frank Ocean. Letzterer hat mit seinem 2012 erschienenen Album Channel Orange nicht nur gleich das gesamte Genre revolutioniert, sondern ist auch Teil der Odd Future-Truppe. Oder ausführlich: OFWGKTA – Odd Future Wolf Gang Kill Them All. In dieser fand auch Syd von The Internet ihre musikalischen Anfänge.

Nachdem sich Syd bei Odd Future vor allem auf technischer Ebene und somit eher im Hintergrund einbrachte, lernte sie 2008 über MySpace Matt Martians kennen. Ihre gemeinsame Liebe zu sphärischem Neo-Soul in Kombination mit Elementen aus dem Jazz und Soul begründete drei Jahre später den oben genannten Beginn von The Internet. Und brachte obendrauf mit Purple Naked Ladies ein erstes Album mit sich.

Mehr Authentizität, mehr Charakter

Nun, gut sieben Jahre später, beweist die auf fünf feste Bandmitglieder herangewachsene Combo mit ihrem mittlerweile vierten Studioalbum namens Hive Mind, dass sie nichts von ihrer Liebe und ihrem Feuer für feinfühligen Soul und treibenden Alternative R&B verloren hat. Und zudem dazu gelernt hat, wo Kritiker früher allzu simples Songwriting bemängelten oder es den oft produzierten Tracks an Charakter und Biss fehlte.

Ihr neues Album zeigt eine Hand voll Musiker, von denen jeder mit seinem Part brilliert. Die live eingespielten Instrumente fangen den wahren Kern von fühlbarem und mitreissendem Sound ein. Bereits der Opener Come Together zeigt mit seinem schleppenden Drumbeat, schnittigen Gitarrenchords und gemächlichen Bassläufen, dass hier nicht nervöse Sommerkost serviert wird. Vielmehr wird hier schmiegsamer Sommerabend-Soundtrack zum Dahingleiten und warm Kuscheln aufgetischt.

Tanzen ist Programm bei The Internet. Bild: zvg

Zwischen Kamin-Gekuschel und Disco-Kugeln

Doch The Internet laden auf ihrem vierten Album nicht nur zu gemütlichen Kuscheleien ein, auch die Hüften und Beine sollen gefordert werden. Stillstand heisst Einrosten; und das wollen Syd, Matt Martians, Steve Lacy, Patrick Paige II und Christopher Smith – um die gesamten Namen der Truppe beisammen zu haben – nun wahrlich nicht. Bereits mit Roll (Burbank Funk) wird die Cheminée-Stimmung in ein loderndes Funk-Feuer verwandelt und die Disco-Kugeln zum Glitzern gebracht.

Nur um beim nächsten Stück Come Over wieder der Melancholie und Langsamkeit von sich anbahnender, jedoch komplizierter Liebe zu widmen. Wurde Sängerin Syd bei den früheren Alben noch für allzu einfache Textzeilen kritisiert, kommen Themen wie Sinnlichkeit, Gefühlsspielereien oder Alltagszweifel nun durchdachter und weniger aufgesetzt daher.

Auch allgemein wirkt das neue Album der Band weniger schwer. Dies passend zu der Grundeinstellung, welche die Musiker mit ihren Songs und ihrem Auftreten widerspiegeln möchten. In unserer chaotischen Gesellschaft ist es ihnen wichtig, positive Gefühle und Ausstrahlung in die Community einzubringen.

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Mit Hive Mind wollen The Internet ihre eigene Leidenschaft und Freude in Form von Rhythmen, Songzeilen, Beats und Spielereien teilen. So tänzeln Songs wie La Di Da wie eine frische Sommerbrise durchs Gehör, auch wenn die Zeilen dazu eher frech und keck daherkommen. Doch genau dieses Zusammenspiel von bunter Provokation und frischen Melodien voller Groove und Leichtigkeit macht den Mix ihres Sounds aus.

I’m a smooth operator, no, I’m your favorite
But let me enjoy my sweet soirée
I’m sorry that I’m so blasé
Why you dancin‘ like your name Sade?
Hey, why you so worried ‚bout me?
I said no sir, not today

Ein Cocktail der taktvollen Sorte

Auch wenn es in Songs wie Stay The Night um das Verlangen und Flehen nach Liebe und bei Look What U Started um das verlorene Miteinander und damit heraufbeschworene Abgründe geht, verliert sich weder Sängerin Syd noch die Band im Kitsch oder vertontem Liebesdrama. Die Stücke wirken stets smooth und belebend, auch wenn ihre Themen teils schwer und verletzlich sein mögen. Doch mit der oben genannten Botschaft von Positivität findet sich hier eine Band, die nach drei Jahren für ein Album zusammengefunden hat, welches einen sommerlichen Cocktail bietet. Ohne dabei Klischees oder überbordender Produktion zu verfallen.

Hive Mind lässt sich genauso für einen entspannten Strandnachmittag nutzen, wie für ein pikantes BBQ-Get-Together. Auch für verschmuste Stunden der Zweisamkeit oder für nimmer endende Ausfahrten oder Wander-Abenteuer. Ein Album das genauso Feuer in sich trägt, wie auch Coolness. Wo handgemachte Musik mit Loops und Samples verschmelzen. Und wo sich träumerische Songzeilen mit preschenden RapParts vermengen. Ein hörbarer Beweis, dass der Sommer-Soundtrack nicht nervös und pumpend daherkommen muss, sondern einem auch sanft ins Ohr geflüstert werden darf. Um im nächsten Moment doch das Knie zum Wippen zu bringen.

The Internet - Hive Mind

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