Schlamm statt Torte

Die zehnte Ausgabe des Berner Greenfield Festivals ging am Sonntag, den 15. Juni 2014 , zu Ende. Bilanz nach zehn Jahren und nach den letzten drei Tagen: Interlaken und das Wetter werden nie Freunde, vor den Organisatoren gibt es einige Hüte zu ziehen, aber auch nach zehn Jahren Erfahrung zwei, drei Hühnchen zu rupfen und nicht nur die Headliner Iron Maiden, Linkin Park und Soundgarden sorgten für eine gebührende Geburtstagsparty.

Sorgte leider für keine Überraschungen: Bruce Dickinson von Iron Maiden (Foto:Sacha Saxer)
Sorgte leider für keine Überraschungen: Bruce Dickinson von Iron Maiden (Foto: Sacha Saxer)

Der zweite (und für die am Mittwoch angereisten bereits dritte) Tag ist spätestens der, an dem man sich nicht nur mit dem Festivalgelände sondern auch mit dem Rest des Geländes vertraut macht, sei es, um zu duschen oder die Biervorräte aufzufüllen. Oder weil man wegen der drückenden Blase einmal über das gesamte Campinggelände joggt, auf der Suche nach einem ToiToi ohne 30 Meter Schlange davor. Da wurde man die letzten drei Tage leider enttäuscht. Wie es auch nach zehn Jahren immer noch möglich ist, dermassen zu wenige Toiletten bereitzustellen, ist und bleibt wohl ein Rätsel. Auch die im letzten Jahr luxuriösen Duschen wurden wieder durch Massenduschen ersetzt, wer eine komfortable Duschkabine wollte, bezahlte fünf Stutz, bekam dafür aber sogar ein Shampoo. Für zehn gabs ein Handtuch dazu. Erstaunlicherweise griffen viele auf diesen Luxus zurück, denn auch vor der Dusch-Comfort-Zone fand sich eine lange Schlange. Zum Luxus ist jedoch das ganze Greenfield Festival geworden, und zwar auf verschiedene Arten. Zum Einen stieg der Eintrittspreis in den vergangen Jahren mehrmals – dafür fährt man nicht mehr gratis mit dem Zug hin. Fair ist anders, oder? Wer sich dann überlegt, statt mit dem nun zu bezahlenden ÖV mit dem Auto anzureisen, der durfte heuer 20 Franken Parkplatzgebühren bezahlen… Im ersten Jahr waren es noch um die fünf Stutz wenn man sein Auto parkieren wollte. Als Greenfieldgänger muss man also schon ein wenig Geld in die Hand nehmen – essen, trinken und Depot auf jeder Petflasche – da wird man rasch ein paar Franken los. Luxus bedeutet auf der anderen Seite aber auch gereinigte ToiTois und nochmal extrasaubere WCs für die, die Wert drauf legen und dafür bezahlen. Es bedeutet unzählige Foodstände, Handyaufladestation und einen immer grösser werdenden, vollständigen Supermarkt. Wer nicht will, muss das Greenfield-Gelände nie verlassen, kann aber einkaufen, grillieren und muss dafür nicht mal mehr alles selbst mitschleppen, sondern kann es für Supermarktpreise vor Ort kaufen.

Wer sich also am Freitag noch weder den Schlamm vom Vortag abgeduscht, gepflegt und den ersten Kater überwunden hatte, der wurde bereits am Mittag von den Schweden von Bombus auf der Hauptbühne geweckt. Auf der Clubstage zeigten Allys Fate ihr Können, sie hatten den Greenfield Bandcontest Zürich gewonnen. Aber es schienen erst ein paar hundert Rockfans aus den Federn gekrochen zu sein. Erst der zünftige Metalcore aus Bern von Breakdown of Sanity schien die breitere Masse aufzuwecken und vor die Bühne zu locken. Dann wurde es bereits um 14 Uhr dunkel. Nein, es war (noch) kein Gewitter im Anmarsch. Es kamen Ghost. Und dunkel wurde es leider nur im übertragenen Sinne: Die maskierten Gestalten bei hellstem Sonnenschein ihre rituell anmutenden Hymnen zum Besten geben zu lassen, erschien denkbar unpassend. Die sechs Namenlosen in ihren Roben und mit den bemalten Gesichtern zogen das Publikum aber trotzdem in ihren Bann.

Weiter gings mit We came as Romans und Trivium auf der Hauptbühne, die den Freitag einfach nur solide rockten – bevor es dann mit dem nächsten Gewitter wieder ordentlich nass wurde. Dies bekamen vor allem die Broilers zu spüren, die ihr Konzert wegen des heftigen Regens einige Minuten unterbrechen mussten. Die Band nahm es gelassen und das Publikum auch – im Regen, und bald auch im Schlamm, zu tanzen ist eh spassiger als bei der brütenden Hitze. Dem Regen zum Opfer fiel auch das Jack Daniels-Barzelt im Festivalgelände, das unter den Wassermassen zusammenbrach. Das Zelt musste deshalb evakuiert werden, verletzt wurde niemand, höchstens wieder nüchterner.

Für viele ein Highlight stellte die Geschichtsstunde mit Sabaton dar. Die fünf Schweden erzählen nicht nur auf ihrem aktuellen Album von Helden des Krieges und der Geschichte, sondern stellten auch klar, wer der heimliche Held des True-Metal-Fans des Abends war – bevor Iron Maiden ihnen diesen Platz selbstverständlich wieder stahlen. Denn Iron Maiden waren so das einzige Indiz, was den Unwissenden darauf schliessen liess, dass es sich dieses Jahr um ein spezielles – das zehnjährige – Greenfield handelte. Denn welche Band der Welt soll am Geburtstag eines Rock- und Metalfestivals spielen und zeigen wo es hoffentlich die nächsten zehn Jahre hingeht, wenn nicht Iron Maiden? Auf jeden Fall ist es dem Greenfield zu wünschen, dass es die nächsten zehn Jahre mindestens so energiegeladen weitergeht, wie Bruce Dickinson am Freitagabend auf der Bühne umherwirbelte. Die alten Klassiker wie Can I play with Madness, The Trooper aber auch Zugaben wie The Evil that Men do rockten, wie man es sich von Iron Maiden nur wünschen kann.

Wer sich nach dieser vollen Ladung true Heavy Metal noch einmal zerstören wollte, der konnte, beziehungsweise musste sich nach Maiden noch einmal zu Hatebreed in den Moshpit stürzen und nach dem Motto Destroy everything noch einmal alles geben.

Ein weiterer Tag voll solcher sensationellen Konzerte, Schlammschlachten, Erschöpfung zum Umfallen – was braucht es noch mehr, für einen gelungenen Festivaltag als all das? Vielleicht ein kühles Bier im RCKSTR-Zelt mit einer ziemlich guten Striptease-Show im Hintergrund…

  1. Das Highlight von Freitag waren ganz klar Sabaton, die wieder einmal mehr gezeigt haben, wieso sie eine der zur Zeit besten Livebands sind. Die Stimmung im Besucherraum war grandios – ich stand mittendrin und wurde entsprechend dreckig – und Joakim Broden versteht es wie kein zweiter mit dem Publikum zu spielen.
    Iron Maiden hingenen waren irgendwie zu zurückhaltend, liessen keine Überraschungen kommen, konnten nicht mit Publikumsinteraktion überzeugen. Für alte Fans wie mich ein guter Auftritt, aber keiner, der ihnen neue Fans beschert hätte.
    Da ich Trivium schon bei den letzen Auftritten enttäuschend fand, schenkte ich mir ihren Gig und besuchte stattdessen den RCKSTR Block, wo zeitgleich ein Wet Tshirt Contest stattfand. Bei der ersten Ausgabe am Freitag musste man allerdings sagen, dass nur gerade ein Mädel den Sinn eines solchen Wettbewerbs verstanden hatte. Kleiner Tipp am Rande: Es heisst nicht umsonst Wet Tshirt und nicht Wet Bra Contest. Aber egal, die Besucher hatten ihren Spass, die Umsätze an der Bar waren wohl dem entsprechend und trotzdem brauchte es keinen Einsatz von der Security – auch besoffene Metalheads wissen wohl noch, wo die Grenzen sind.

    Nach dem Gaggigate vom letzten Jahr ist es allerdings schön berichten zu können, dass die einzigen Probleme mit den Klos die teilweise unmenschlichen Wartezeiten waren. Keine abgeplatzt Schläuche dieses Jahr, dafür Beine bis zum Bauch. 10% mehr Klos rund ums Infield beim nächsten Jahr? Geht das? Ca 25’000 Dankeschön dafür.

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