Leidenschaftlich, hingebungsvoll und mitreissend

Am Konzert von Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators

Der Saal füllt sich zunehmends, das Konzert von Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators ist ausverkauft. Insgesamt erleben am Abend gut 5000 Leute live mit, wie Slash in der Samsung Hall Dübendorf ein grandioses Solo hinlegt.

Eröffnet wird der Abend von Bishop Gunn, die sich einer Mischung aus Rock’n’Roll, Soul und Blues verschrieben haben. Sie interagieren von Beginn weg mit der Menge, die zunehmend gedrängter in der Halle steht. Travis McCready performt die Songs mit ausdrucksstarker Mimik und voller Hingabe. Wegen seines auffälligen Outfits wird er später problemlos erkannt, als er sich unters Publikum mischt und sich die letzten Songs von Slash anhört. Ohne Berührungsängste geniesst er sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wird und lächelt in mehr als ein Dutzend Selfie-Aufnahmen, um die ihn die Fans bitten.

Travis McCready. Bild: Michelle Brügger

Spot an, Auftritt Slash

Dann endlich ist es soweit: Der Gitarrengott betritt die Bühne und wird unter Getöse begrüsst. Mit The Call of the Wind starten sie in den Abend und ich hetze durch den Bühnengraben mit meiner Kamera. Ich weiss gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll: Myles Kennedy rennt mit dem Mikroständer über die Bühne, Todd Kerns wirbelt seine langen Haare durch die Luft, Frank Sidoris zupft fast gedankenverloren an seiner Gitarre und Brent Fitz bearbeitet das Schlagzeug voller Herzblut und mit breitem Lachen.

Bild: Michelle Brügger

Und natürlich ist da auch noch Slash mit seinem unverkennbaren Zylinder auf der wilden Lockenmähne und verspiegelter Sonnenbrille. Vermutlich kenne die eingefleischten Fans die Geschichte des Zylinders? 1985 war Slash einen Tag vor einem Konzert in Los Angeles auf der Melrose Ave unterwegs. Im Schaufenster von Retail Slut sah er den Zylinder, hatte aber kein Geld. Er setzte sich den Zylinder auf und verliess den Laden ohne zu bezahlen. In einem anderen Geschäft liess er noch einen Gürtel mitgehen und entwarf so den legendären Hut.

Grandioses Solo von Slash bei Wicked Stone

Sein Markenzeichen half ihm in den Anfängen, seine Nervosität und Schüchternheit einzudämmen. Er verriet mal, es sei ihm sehr unangenehm, der Menge direkt ins Gesicht zu schauen. Durch die Brille kann er sich etwas abschirmen und in seiner eigenen kleinen Welt mit geschlossenen Augen auf der Gitarre spielen.

Bild: Michelle Brügger

Wicked Stone ist der Lieblings-Song von Brent Fitz, der mit einem individuellen Solo von Slash endet. Aus dem Interview mit dem sympathischen Drummer weiss ich, wie sie alle in der Band miteinander kommunizieren, ohne dass es dem Zuhörer wirklich auffällt. Da jeder Abend anders verläuft und einzelne Songs verlängert werden, müssen alle ganz genau wissen, wann ein Part endet. Brent führt im Hintergrund die Fäden zusammen, gibt und empfängt Signale der anderen.

I got his back – literally. — Brent Fitz

Zwischendurch dreht sich Slash zum Drummer hin für einen direkten Blickkontakt. Die meiste Zeit beobachtet Brent ihn jedoch wie einen Falken und liest seine Körpersprache. Dabei schaut er beispielsweise auf seine Füsse, die Bewegungen und andere Angewohnheiten, um ihm auf dem Schlagzeug zu begleiten. Dadurch weiss Brent ganz genau, wann das Ende eines Soloparts kommt, selbst wenn Slash ihm den Rücken zudreht. So auch bei Wicked Stone, als Slash ein grandioses Outro hinlegt. Um 21:36 Uhr schaute ich auf die Uhr, als er schon ein paar Minuten spielte. Der letzte Ton seines Solos erklang 21:48 Uhr, das von den Fans mit tosendem Applaus gefeiert wurde.

Bild: Michelle Brügger

Kein Fan zu klein… und Platz für Moshpits hat’s immer

Mit meinen 1.61m bin ich an Konzerten immer eine Kopflänge zu klein, um an einem  Konzert mittendrin etwas von der Show zu sehen. Aber die Kleinste war ich definitiv nicht. Am heutigen Abend sehe ich einige Kids mit Pamir aus dem Saal gehen, die vermutlich auf den Schultern ihrer Eltern sassen. Vielleicht haben sie auch den Moshpit gesehen, der sich anscheinend in der gestossen vollen Halle gebildet hat?

Die Energie der Masse erreicht einen aber auch, wenn man mit freier Sicht auf die Bühne etwas weiter wegsteht. Während des Konzerts richten die Musiker nicht viele Worte ans Publikum: Sie lassen die Musik sprechen. Leidenschaftlich, hingebungsvoll und mitreissend halten sie die Menge in ihrem Bann. Laut Brent Fitz ist es für sie alle das grösste, jeden Abend auf der Bühne zu stehen. Das sei der beste Teil des Tages. Sie leben ihren Traum und tun das, was sie am meisten lieben: Musik spielen.

That’s the best part of the day! The travel is cool, but it does get cruel after a while. But the gig never gets old. We’ve been out for two and a half months playing that two hours every night. That’s the fucking best. You get to do something that you selfishly love. — Brent Fitz

Obwohl ich eine Setlist habe, dauert das Konzert gefühlte vier Songs länger, denn wie wir alle inzwischen wissen, spielt Slash jedes Lied so lange, wie er will. Doch alles hat mal ein Ende und so ist das Konzert nach zwei Zugaben vorbei, als der letzte Ton von Anastasia verstummt. Ihre aktuelle Tour von Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators dauert noch bis Mitte August 2019. Danach werden sich die einzelnen Bandmitglieder aber nicht zurücklehnen und ausspannen. Sie knüpfen direkt an und fahren mit Projekten ihrer anderen Bands fort, die sie für diese Tour ein knappes Jahr zurückgestellt haben. Vollblutkünstler, für die Musik schlicht und ergreifend ihr Leben ist.

Bild: Michelle Brügger
  1. Hallo

    Ich weiss zwar nicht auf welchem Konzert Du warst, aber offensichtlich nicht auf dem gleichen wie ich 🙂
    Absolut druckloser Sound, Einheitsbrei, das angesprochene Solo zwar technisch super, aber nach spätestens 2 Minuten langweilig da immer die gleichen ellenlangen patterns durchgefiddelt worden sind ohne Spannungsaufbau oder Dramaturgie. Selbst ich als grosser Slash-Fan (und zwar nicht nur wegen Guns n roses sondern generell) musste mich echt quälen, dass ich nicht schon vor Konzertende den Saal verlassen habe. Schade, habe Slash schon viel besser gesehen.

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