Bild: Janosch Tröhler

Ein Mittelfinger ohne Krawall

Die Velvet Two Stripes dampfwalzen durchs Albani

Die Velvet Two Stripes sind zurück – und immer noch ein Dorn im Fleisch des Rock-Patriarchats. Das machten sie im Winterthurer Albani mit Nachdruck klar. 

«Mit 27 sind wir entweder tot oder steinreich.» Das sagte Sophie Diggelmann, Frontfrau der Velvet Two Stripes, nachdem sie in Deutschland ein Hotelzimmer verwüstet hatten.

Das war vor etwa sechs Jahren; und das St. Galler Frauentrio trieb unter dem Titel «coolste Band der Schweiz» ihr Unwesen. Die drei Musikerinnen fanden sich – noch blutjung – in der Schaumkrone einer Hype-Welle. Dabei gab es damals noch so gut wie nichts: Die EP Fire, die im Mai 2013 herauskam. Vier Songs, getrieben vom Drum-Computer. In der Retrospektive: Klingt tatsächlich cool, aber die Qualität ist maximal mittelmässig. Und die jugendlichen Eskapaden reichten nicht aus, die mediale Begeisterung weiter anzuheizen. Als das erste Album VTS erschien, kümmerte sich niemand mehr wirklich um die Band.

Es wurde ruhig um Sophie, ihre Schwester Sara und die Bassistin Franca Mock. Eigentlich tödlich still. Die Velvet Two Stripes hätten sich auflösen können und man hätte es kaum bemerkt. Vielleicht hätte man sich an diese Hotel-Geschichte erinnert und es wäre heute dieses eine Mal, als sich moderne Rockmusik nochmals in Nonkonformismus auflehnte – gegen das schweizerische Saubermann-Image.

Sara Diggelmann, Franca Mock, Sophie Diggelmann und Dave Flütsch. Bild: zvg

Der Zeit voraus

Doch natürlich gäbe es keinen Grund, das alles aufzuschreiben, würde man von den Velvet Two Stripes nur noch im Präteritum sprechen. Heute sind die Musikerinnen um die 25 Jahre alt, aber weder steinreich, noch dem Tod nah. Wenn überhaupt, sind sie von den Toten auferstanden: Nach fünf Jahren sind sie zurück und fordern ihre rechtmässige Stellung in der Musiklandschaft.

Denn die Velvet Two Stripes leisteten einen signifikanten Beitrag: Zwar waren sie damals ein kurzlebiges Phänomen. Doch mit ihrer wilden Attitüde haben sie den Weg für die Frauen in die moderne Rockmusik geebnet. Sie widersprachen den Klischées und erweiterten den Horizont – zumindest in der Schweiz. Damals sprach noch niemand von den Hinds, Dream Wife oder Gurr. Damals existierten Mama Jefferson oder Black Sea Dahu noch nicht.

Nun wäre es verwegen, zu behaupten, die feminine Welle des Rocks sei diesem Trio aus der verschlafenen Ostschweiz zu verdanken. Dafür war die Strahlkraft doch zu lokal. Klar ist dennoch: Sie waren der Zeit voraus. Pionierinnen.

Teuflischer Dreier

Eigentlich gaben die Velvet Two Stripes bereits 2017 ein kleines Comeback. Die EP Got Me Good flog zwar unter dem Radar vieler, doch markiert den Wendepunkt: Carlo Caduff ersetzte den Drum-Computer im Studio und auf der Bühne. Damit verlieh sich die Band die nötige Tiefe. Die alten Beats aus der Konserve liessen ihre Songs immer etwas blutleer wirken.

Die fünf Tracks auf Got Me Good waren aber ebenfalls nur Blaupausen. Exakt vor einem Monat, am 8. Februar 2019, erschien mit Devil Dance das zweite Album. Zwölf verteufelt starke Songs. Der Sound hat ein neues Niveau erreicht: Warmer Blues trifft auf staubigen Garage-Rock – und die Riot-Grrrl-Punk-Attitüde macht den flotten Dreier komplett. Eine Wahnsinns-Platte, die einen am Kragen packt, in den Hinterhof schleift und ein paar deftige Faustschläge in die Magengrube setzt.

Blei und Quecksilber

Der Teufelstanz entfaltet Wirkung. Die Velvet Two Stripes locken lokale Szeneprominenz – die Salzigen, die Slamers und die Nutzlosen (Winterthur-Referenzen beabsichtigt) – ins Albani. Und auf der Bühne entfaltet die Rhythmus-Abteilung von Franca Mock und dem neuen Live-Drummer Dave Flütsch ihre ganze Wucht. Am Vorabend des internationalen Frauentags presslufthämmert das Quartett herrlich erbarmungslos ins zementierte Patriarchat des Blues Rocks. Es riecht nach Kunstnebel, Schweiss, Bier und Ärger. Und die Velvet Two Stripes liefern den Soundtrack für den Barfight.

Bild: Manuel Vargas Lépiz

Doch weder zerbrechen Flaschen, noch werden Barhocker über irgendwelchen Rücken zerschmettert. Was früher Remmidemmi war, ist heute Selbstsicherheit. Die Velvet Two Stripes sind erwachsen geworden: Ihr Sound ist ein Mittelfinger ohne Krawall. Voller Kraft, voller Druck, laut und wütend. Gegen verkrustete Geschlechterrollen, gegen Erwartungshaltungen.

Die Stimmung ist elektrisiert. Die Band dampfwalzt ohrenbetäubend, ummantelt den Blei-Groove mit Quecksilber-Melodien: Flüssig, faszinierend, aber tödlich. Niemand zweifelt an ihrer Legitimation: Sie locken verführerisch und halten einem dann das Messer an die Kehle. Keine Frage: Die Velvet Two Stripes spielen den Machismus in die Ecke, bis er ein jämmerliches Häuflein Elend ist.

Bild: Manuel Vargas Lépiz

Früher war ein Erstaunen – oder sagen wir: Schock –, dass da drei Frauen für Furore sorgen, verantwortlich für die Aufmerksamkeit. Heute hingegen erregen sie mit grandiosem Sound Aufsehen. Ein gutes Zeichen. Es ist noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung. Was die Velvet Two Stripes aber im Albani erneut deutlich machten: Sie gehören immer noch zur Speerspitze, sind immer noch eine der coolsten Bands der Schweiz.

Bild: Manuel Vargas Lépiz