Weshalb 2020 zum grossen Schweizer Musikjahr werden kann

Das Swiss Music Export kündigt Schweizer Fokus am Eurosonic an

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Das Eurosonic Noorderslag Festival gilt als Drehscheibe für die heissesten Newcomer. 2020 stellt das Festival die Schweiz in den Fokus.

Das Eurosonic Noorderslag Festival (ESNS) im holländischen Groningen gilt als Europas musikalische Talentschmiede. Oder zumindest als Katalysator für den internationalen Durchbruch. Das ist kein Zufall, denn im Hintergrund wirkt eine ominöse Kraft: das «European Talent Exchange Programme» – kurz ETEP. Finanziert von niederländischen Institutionen und EU-Geldern stimuliert das ETEP seit 2003 den europäischen Austausch von Musikerinnen und Musikern. Jedes Jahr spielt eine Auswahl europäischer Künstler am Eurosonic, einem sogenannten Showcase-Festival. Die Selektion findet über die Partner des ETEP statt. Darunter sind etwa 27 öffentliche Radiostationen, die in der European Broadcast Union (EBU) zusammengeschlossen sind.

Das Eurosonic ist aber nicht nur ein Musikfestival, sondern auch eine Konferenz des Musikbusiness. 400 Delegierte von europäischen Festivals sind vor Ort. Der ETEP hilft ihnen, diese Künstler für das eigene Line-up zu buchen. Der Clou: Die Festivals erhalten Geld, wenn sie einen Künstler des ETEP buchen. Insgesamt kann das Programm zwischen 2003 und 2016 ganze 3091 Shows verbuchen. Namhafte Künstler wie The xx, Franz Ferdinand oder Hozier absolvierten Shows im Rahmen des ETEP. Die Stimulation wirkt, denn Festivals sind die beste Plattform um neue Künstler in einem neuen Land zu präsentieren.

Schweiz im Fokus

Die Erfolgsbilanz des ESNS und dem angehängten Talent Exchange ist beeindruckend. In jüngerer Vergangenheit konnten sich etwa Alice Merton oder Dua Lipa profilieren. Umso erfreulicher für die hiesige Musiklandschaft ist also die Ankündigung, dass die Schweiz dieses Jahr besonders in den Fokus des Festivals rücken wird. «Die Schweiz zeichnet sich durch ihre kulturelle Vielfalt mit einer sehr vielseitigen Musikszene aus, die in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt hat», lässt sich Robert Meijerink, Programmchef von ESNS, in einer Medienmitteilung zitieren.

Tatsächlich konnte die Schweiz in letzter Zeit mit vielversprechenden Acts auftrumpfen: Zeal & Ardor, Mario Batkovic oder Sophie Hunger waren schon Teil des Programms. Im Januar 2019 präsentierten sich Crimer, Long Tall Jefferson und Danitsa. «Schweizer Acts können sich auf eine professionelle Infrastruktur verlassen, wenn es um Livemusik und Festivals geht», meint Meijerink weiter.

Zurzeit entsteht in der Schweiz extrem kreative und originelle Musik.

Das Eurosonic arbeitet für seinen Schweiz-Fokus mit dem Swiss Music Export zusammen. Direktor Jean Zuber sagt: «Die Schweiz hat nicht nur eine sehr aktive und kreative Szene von Musikschaffenden, sondern auch eine hohe Club- und Festivaldichte, international vernetzte Radiostationen sowie eine äusserst lebendige Independent-Labelszene. Zurzeit entsteht in der Schweiz extrem kreative und originelle Musik in allen Genres, welche wir sehr gerne in Groningen präsentieren.»

Zuber kündigt an, dass der Swiss Music Export sich mit anderen Organisationen zusammenschliessen wird um am ESNS eine aktive Rolle einzunehmen.

«Wir können ein neues Level erreichen»

Die Effektivität des European Talent Exchange Programmes und die Strahlkraft des Festivals sind gut dokumentiert. Die lokale Musiklandschaft wird zweifelsfrei vom zusätzlichen Rampenlicht profitieren. Denn für Schweizer Acts ist der Sprung ins Ausland – in die grossen, gesättigten Märkte Europas – ein schwieriges Unterfangen. Dass die Künstler*innen aber zunehmend Aufmerksamkeit erlangen, zeigte sich bereits am Reeperbahnfestival 2019, wo Anna Aaron bereits für einen Newcomer-Award «ANCHOR» nominiert war. Damals sagte Jean Zuber zu Negative White, dies sei eine kleine Sensation: «Aus den vielen hundert Acts sind nur genau acht für den Award nominiert.»

Frank Lenggenhager, Geschäftsführer der Promo-Agentur Lautstark, sagt, dass 2020 zum grossen Schweizer Musikjahr werden könnte: «Wenn man das Potential ausschöpft, kann die Schweiz ein neues Level im Musikbusiness erreichen.» Wichtig sei, dass alle in der Branche mitziehen. Dazu müsse auch die Politik begreifen, dass die Musik eben auch ein Markt sein kann – nicht nur Hobby oder Kunst und Kultur. «Ich spüre aber seit einigen Jahren eine Veränderung der Aussenwahrnehmung der Schweiz. Früher assoziierte man mit uns DJ Bobo oder vielleicht noch Krokus», sagt Lenggenhager. Gute Chancen für den Durchbruch rechnet sich der langjährige Promoter für Acts wie Black Sea Dahu, Marius Bear, Jessiquoi oder KT Gorique aus.