«Auf Mainstream hab ich keinen Bock»

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22 Jahre alt, eine Stimme wie ein Motown-Soulsänger, den Hut im Gesicht wie Dylan: Marcus King aus South Carolina ist ein Phänomen der jungen Musiklandschaft. In wenigen Wochen tritt er in Zürich auf. Im Interview gibt er Einblick in seine Musikerseele.

Marcus King, deine Studiosongs klingen wie Live-Aufnahmen. Wie machst du das?

Wir nehmen sie mehr oder weniger live im Studio auf. Danach gibts ein paar Spuren drüber, aber möglichst wenig.

Erster Take und gut ist?

Nein, nein. So zwei bis drei Takes machen wir jeweils schon.

Wann bist du zufrieden?

Für mich ist der Gesang der relevante Part. Wenn ich den Eindruck habe, das Gefühl des Songs eingefangen zu haben, dann stimmt es für mich. Der Song braucht einfach diese spezielle Energie. Beschreiben kann ich das nicht.

Wie schreibst du deine Songs üblicherweise?

Meist habe ich eine lyrische Idee und beginne mit der akustischen Gitarre, daran herumzufeilen. Häufig findet dieser Prozess in irgendwelchen Hotelzimmern statt.

«Ich liebe diesen Teil am Musikerdasein.»

Kommt die Melodie dann einfach zu dir oder musst du um sie kämpfen?

Ehrlich gesagt passiert das einfach. Ich liebe diesen Teil des Musikerdaseins. Das Schreiben ist für mich ein Ventil, um mich selber auszudrücken, mich selber zu spüren.

Das heisst, in deinen Songs gehts um dich selber?

In den meisten Songs greife ich meine Lebenserfahrung auf.

Wer ist in dem Fall Rita aus dem Song Rita is gone?

Haha. Rita ist eine Figur, die ich geschaffen habe, damit jeder Zuhörer etwas in sie hineininterpretieren kann.

Es gab keine Rita in deinem Leben?

Nein. Der Song entstand aus einer Episode der Fernseh-Show Dexter. Ich sah diese Figur und wollte einen Song um sie herum kreieren. Aber zunächst fiel mir kein guter Name für sie ein. Dann plötzlich kam er zu mir, wie ein Geschenk des Himmels. Rita. Ich liebe Songs, die 100 Menschen hören und sie 100 Mal anders interpretieren. Mit Rita is gone funktioniert das scheinbar. Der Name löst irgendwas in einem aus.

Du bist 22. Wieso machst du Musik, wie man sie 30 Jahre vor deiner Geburt machte?

Ich habe eine gute Familie mit gutem Musikgeschmack und einer Plattensammlung, die allen zugänglich war.

Hast du nie darüber nachgedacht, mit mainstreamigerem Sound ganz viel Geld zu verdienen?

Nein. Darauf habe ich keinen Bock.

«Ich hatte lange keine Freunde.»

Jugendliche in deinem Alter hören üblicherweise komplett andere Musik. Hattest du überhaupt Freunde in der Schule?

Ich hatte lange keinerlei Freunde. Also machte ich umso mehr Musik. Als ich etwas älter wurde, stiess ich auf andere Menschen, die meine Leidenschaft teilten. So kam ich doch nach und nach zu Freunden.

Die Musik war sozusagen dein Versteck?

Absolut. Sie ist es immer noch. Wenn ich mich zurückziehen will, dann suche ich in der Musik Zuflucht. Dort fühle ich mich zuhause.

Seid ihr keine Freunde in der Band?

Wir sind wie Brüder. Wir streiten wie Brüder, wir sitzen im Tourbus und reisen um die Welt wie Brüder. Meine Band ist Familie.

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Sind die anderen nicht viel älter als du?

Nein. Der Älteste ist 28, der Rest ist im Durchschnitt etwa 25 Jahre alt. Wir sind nicht so weit voneinander entfernt.

Ersetzt die Band deine echte Familie?

Keineswegs. Meine Familie ist mir immer noch sehr wichtig. Gerade mein Vater ist mein vertrautester Verbündeter. Wenn ich eine wichtige Entscheidung treffen muss, bitte ich zuerst ihn um seine Meinung. Manchmal spiele ich ihm auch neue Songs vor, bevor ich sie in die Band bringe.

Ihr kommt bald auf Europatour. Was haltet ihr von der Region?

Wir waren schon viermal in Europa, einmal in der Schweiz. Die Schweizer sind sehr nett, das Land wirklich schön.

Was spielt Ihr in Zürich?

Sicher recht viel Material von der neuen Platte, dazu ein paar ältere Songs und vielleicht das eine oder andere Cover, das uns gefällt. Die Show wird etwa zwei Stunden dauern.

The Marcus King Band tritt am Dienstag, 16. Oktober, im Zürcher Kaufleuten auf.