Deine Lakaien und die Rotwein-Allegorie

Es gibt zwei Arten von Menschen: Jene, die Rotwein trinken, und jene, die ihn verschmähen. So verhält es sich auch mit dem deutschen Zweigespann Deine Lakaien. Zu welcher Gruppe gehörst du?

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Vier Sommer sind ins Land gezogen, seit Ernst Horn und Alexander Veljanov Indicator veröffentlichten. Vier lange Jahre, in denen man rätseln konnte, ob die Herren an den Erfolg anknüpfen können. Deine Lakaien sind keine gewöhnliche Band. Veljanov, der Sänger mit mazedonischen Wurzeln und extravaganter Haarpracht, und Horn, der studierte und virtuose Multi-Instrumentalist, trennen 16 Jahre Lebenserfahrung. Seit 1985 überbrücken sie den Generationensprung durch ihre Musik.

[su_progress_bar percent=“50″ text=“Fessellose Kompromisse“ bar_color=“#000000″ fill_color=“#fbff12″ text_color=“#000000″]

Seit den ersten Erfolgen mit Dark Star und Forest Enter Exit haben sich Deine Lakaien nur schleichend gewandelt. Unverkennbar ist ihr musikalischer Code, ungeschlagen ihre Vielfalt, sodass ihre Klänge unter einem nichtssagenden ‚Avantgarde‘ schubladisiert werden. Ernst Horn war früher Kapellmeister, Theaterpianist. Veljanov ein junger Waver, der in München Theater- und Filmwissenschaften studierte und den dunklen Melodien nachträumte. Veljanov sagte 2007 zum Tagesspiegel:

[su_quote]Da standen sich zwei Männer gegenüber, die ziemlich verschieden waren und der Altersunterschied war nicht zu übersehen. Als wir dann anfingen, uns über Musik zu unterhalten, war das Eis schnell gebrochen, obwohl unser Musikgeschmack unterschiedlicher nicht hätte sein können.[/su_quote]

So waren die frühen Werke der so differenten Männer geprägt von einer Schizophrenie. Im hämmernden Dark Star schwingte die verblassende Ära des Dark Wave mit, während Frühlingstraum in sanfter Melancholie den klassichen Einflüssen Horns nicht zu widerstehen vermag. Über Dekanden trafen sich Horn und Veljanov irgendwo in der Mitte ihrer Geschmäcker. In der Regel sind Kompromisse immer kontraproduktiv, doch Deine Lakaien legten sich keine Fesseln an und schufen etwas, das unbenennbar und doch vertraut ist.

[su_progress_bar percent=“75″ text=“Schwermut im Kristallpalast“ bar_color=“#000000″ fill_color=“#fbff12″ text_color=“#000000″]

Je nach Zählart ist Crystal Palace das neunte oder zehnte Album. Einen überschwänglichen Ausfluss an Kreativität kann man den Lakaien wahrhaftig nicht nachsagen. Allerdings sei es ihnen verziehen, denn ihre Musik besticht auf jedem Album. Da ist auch Crystal Palace keine Ausnahme. Zehn Songs, in der Special Edition um drei erweitert, schmiegen sich aneinander und gehören so zweifelsfrei zusammen wie auf keinem Lakaien-Werk zuvor. Es ist schwierig zu sagen, wie ein typischer Song des Duos klingt. Trotzdem macht das sich behutsam aufbauende Nevermore unmissverständlich klar, wer hinter diesen Klängen steht. Kristallklar glänzen Deine Lakaien schon im ersten Lied mit herausragenden Texten:

[su_quote cite=“Nevermore“]Nevermore will I fall in love,
Nevermore will I fall in love,
No more laughter,
No more tears in my eyes,
No more belief,
And no more these whit lies.[/su_quote]

[su_youtube url=“https://www.youtube.com/watch?v=B8bKz3XTMs4″ width=“620″][Video][/su_youtube]

Vielleicht kein optimistischer Start in ein Album, doch der Schwermut gehört zur Band wie die repetitiven Elemente im Songwriting. Und wenn in Nevermore noch die Entmutigung dominiert, strahlt Farewell bereits mehr Selbstbewusstsein aus:

[su_quote cite=“Farewell“]Farewell, farewell, my own true love,
Blurred are the fields, we’ve been dreaming of,
Hazy the days I tried to foretell,
Farewell, my love, farewell.[/su_quote]

[su_progress_bar percent=“100″ text=“Ritt durch die Dunkelheit“ bar_color=“#000000″ fill_color=“#fbff12″ text_color=“#000000″]

Crystal Palace, namensgebend für das Album, spielt gekonnt mit poppigen Elementen, schwankender Kammermusik und gar etwas Blues Rock lässt sich ausmachen. Ein Gemisch, das üblicherweise Übelkeit hervorruft. Ein Song allerdings sticht aus dem Album hervor wie kein zweiter; The Ride. Schnell, unerbittlich und fordernd. Rasant wie zu ihren frühen Jahren, dass sogar Veljanovs bedachte Stimme Mühe hat, das Arrangement im Zaum zu halten. Ein Ritt durch die Dunkelheit, verfolgt von bleichen Geister. Einmal mehr zeigt Veljanov, dass er ein Meister seines Fachs ist und die Kunst der Halbtöne beherrscht.

Das Album Crystal Palace erfüllt Wünsche. Treibende Stücke wie The Ride oder das stampfende Those Hills geben den traumschwebenden Melodien in Eternal Sun oder Forever and a Day die Hand, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Nach beinahe 30 Jahren weiss man, was einen bei Deine Lakaien erwartet und trotzdem schaffen es Ernst Horn und Alexander Veljanov stets zu überraschen.

Jene, die mit der Band nichts anfangen können, werden auch mit Crystal Palace nicht bekehrt. Allen anderen sei der Kauf wärmstens empfohlen, um mit geschlossenen Augen und einem guten Glas Rotwein den Klängen aus einer anderen Welt lauschen kann.

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Veljanov und Horn sind Deine Lakaien. (Foto: zvg)

Release
8. August 2014

Label
Chrom Records

Tracklist
01. Nevermore
02. Farewell
03. Forever and a Day
04. The Ride
05. Where the Winds don’t blow
06. Crystal Palace
07. Why the Stars
08. The Lights of our Street
09. Those Hills
10. Eternal Sun
Special Edition
11. The Swan Song
12. Portuguese Trails
13. Pilgrim

  1. Vielen Dank für diese gelungene Besprechung. Auch mich begeistert „Crystal Palace“: Für mich ist es die Mischung aus eingängigen Melodien, Texten, die zum Nachdenken anregen und überraschende Klanglandschaften, welche diese Musik zu einem Hochgenuss machen. In diesem Sinne klar Rotwein-Liebhaber. Um es mit dem Titelsong zu sagen: „Welcome to Crystal Palace / feel free to taste the vine“.

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